„Der finale Rettungsanker“

Von der Troika ist nur einer übrig. Das lässt so manchen SPD-Abgeordneten kurz über die Grausamkeit der Politik grübeln – um dann den Blick bangend auf die Wahl zu richten. Wo bleibt der Aufbruch?

BERLIN taz ■ Hat der Bundeskanzler Rudolf Scharping gedankt? „Das hat Peter Struck gemacht“, sagt eine diplomatische Ute Vogt nach der gestrigen SPD-Fraktionssitzung. Die Bundestagsabgeordnete und SPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg kann nur mühsam kaschieren: Seit dem 42-Sekunden Rauswurf am Donnerstag hat Gerhard Schröder öffentlich kein freundliches Wort über seinen Weggefährten verloren. So wenig Schröder nach Großzügigkeit zumute ist, so wenig will sich in seiner Partei Aufbruchstimmung einstellen, die doch der vermeintliche Befreiungsschlag den angeschlagenen Genossen bescheren sollte. „Die Stimmung war angemessen“, fasst Fraktionsvorständler Reinhold Robbe zusammen.

Zwar wird Regierungssprecher Heye am Freitag mit dem dürren Satz vor die Presse geschickt, der Bundeskanzler habe die fachliche Arbeit des Verteidigungsministers stets geschätzt. Doch die wahre Botschaft von Schröders 42 Sekunden fasst ein Mitarbeiter so zusammen: „Der war stinkig.“

„Das ist ja für ihn auch menschlich ein schwieriges Verhältnis“, sagt der Bundestagsabgeordnete Michael Roth, „und das war noch nie leicht.“ Trotzdem ist Roth überzeugt: „Das war der finale Rettungsanker.“ Dass von der einstigen Führungstroika der SPD jetzt nur noch einer übrig ist, lässt so manchen Abgeordneten kurz über die Grausamkeit der Politik grübeln – um dann den Blick fest auf die Wahl zu richten. „In der Politik Mitleid zu haben, ist menschlich angebracht“, sagt Robbe, „bringt aber nicht unbedingt weiter.“

„Wahlzeiten sind in der Regel keine Zeiten, in denen Fairness und Abgewogenheit bei der Bewertung von Vorwürfen Konjunktur haben“, formulierte der Regierungssprecher gestern. Würde Heye den Kanzler nicht grundsätzlich von Kritik verschonen – man könnte denken, er tadelt Gerhard Schröder.

Zum Geschassten stehen nur die Genossen in der Heimat. „Rudolf Scharping ist und bleibt Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen SPD bei der Bundestagswahl“, verkündete Ministerpräsident Kurt Beck gestern knapp. Da hat der Bundespräsident dem Spitzenmann gerade die Entlassungsurkunde überreicht und Peter Struck zum Verteidigungsminister ernannt. „Dass es mit Scharping schwierig war, lag auch an seinem schwierigen Job“, meint Roth, „wer will schon gerne Verteidigungsminister sein?“ PATRIK SCHWARZ