Training in der Almsick-Bugwelle

Moderner Fünfkampf: Eric Walther aus Berlin gewinnt bei der Weltmeisterschaft in San Francisco überraschend Bronze

Nach 13 Stunden war die Sache gelaufen. Die Bronzemedaille baumelte Eric Walther um den Hals. „Er hat seine beste Saisonleistung gezeigt“, sagte Bundestrainer Iri Zlatanow, „für uns ist das sehr erstaunlich.“ Am Samstagmorgen, als sich der Oberfeldwebel der Bundeswehr-Sportfördergruppe seine Luftpistole schnappte, hofften die nach Kalifornien gereisten Betreuer, der 29-Jährige möge eine halbwegs gute Leistung bringen, an mehr hatten sie nicht gedacht. Im Saisonverlauf plagte sich Walther mit den Folgen eines Ermüdungsbruchs im Fuß herum. Nach der EM vor einem Monat stellte Zlatanow beunruhigt fest: „Er klagt über vielfältige Erkrankungen.“

Fünfkampf heißt: Nach dem Schießen wird gefochten, dann 200 Meter geschwommen. Die Pentathleten müssen sich anschließend mit einem zugelosten Pferd über 15 Hindernisse schwingen. Und wenn sie diesen Vielseitigkeitstest bestanden haben, folgt noch ein Geländelauf über 3.000 Meter. Vor der letzten Disziplin lag Walther auf Platz acht. Doch der Berliner ist ein guter Läufer. Zlatanow fasst das in die Worte: „Eric ist einer der besten drei Männer der Welt im organischen Bereich.“ Also im Schwimmen und Laufen. Mann um Mann überholte er. Zum Sieg fehlten nur zwölf Sekunden. Der Tscheche Michael Sedlecky (5.640 Punkte) wurde Weltmeister, der Schwede Eric Johansson Zweiter (5.632). Walther kam auf 5.592 Zähler.

Ganz so überraschend kommt der Erfolg nicht. Als seine Leistungen 1998 stagnierten, änderte Walther die Strategie. Er trainierte die fünf Disziplinen fortan einzeln und möglichst speziell. Er fuhr in ganz Berlin herum, um mit guten Fechtern auf der Planche zu stehen oder in der Bugwelle von Franziska van Almsick zu schwimmen. Seitdem düst er zwischen Reinickendorf, Steglitz und Hohenschönhausen herum, um sein Training zu optimieren. 40 Stunden in der Woche investiert er. Manchmal sechs Stunden am Tag.

Fünfkämpfer sind nicht nur komplette Sportler, sie müssen komplette Idealisten sein. Weil keine Sponsoren da sind. Und Zuschauer auch nicht. Deswegen urteilte die Stuttgarter Zeitung, die Fünfkämpfer hätten eigentlich sechs Disziplinen zu überstehen: „Die schwierigste Übung für diesen Sport ist der Überlebenskampf.“ Die Frankfurter Allgemeine beschrieb die Wettkampfatmosphäre anlässlich der Internationalen Deutschen Meisterschaften in Berlin so: „Die Szene wirkt, als sei eine Jugendgruppe unterwegs auf einem Sommerausflug.“

Dabei betreibt Walther seinen Sport sehr professionell. Berlin ist innerhalb der wenig beachteten Szene in Deutschland so etwas wie eine Hochburg der Pentathleten, die den kleinsten olympischen Verband mit nur 300 aktiven Athleten bilden. In San Francisco ging auch Sebastian Dietz, EM-Sechster, an den Start. Doch der Student der Betriebswissenschaften kam verspätet als 27. ins Ziel, mit 5.124 Punkten. Die Berlinerin und beste Deutsche, Kim Raisner, reiste erst gar nicht in die USA, weil sie ihr Sportmarketing-Studium vorantreiben will und sagt, sie habe erst wieder im Herbst den Kopf frei für das multiple Sporteln, das völlig unmodern auf Komplexität und Universalismus setzt.

Seit 1912 ist der Moderne Fünfkampf olympisch – und bis heute im Programm geblieben, angeblich, weil Prinz Albert von Monaco als Pentathlon-Ehrenpräsident Einfluss im IOC ausübt und seit 1993 auch alle Disziplinen an einem Tag stattfinden. Die zeitliche Straffung sollte den Wettbewerb attraktiver machen. Das hat in Deutschland nicht funktioniert, obwohl es Baron de Coubertin höchstpersönlich war, der den Modernen Fünfkampf begründete.

In Ungarn klappt das mit der Popularität viel besser. In drei Wochen steht in Budapest das Weltcupfinale an. Dann wird Walther durch ein Spalier jubelnder Zuschauer ins Ziel hetzen und um den ersten Startplatz für Olympia 2004 in Athen kämpfen. Dieses Ziel will er „voll motiviert und mit klarem Kopf“ erreichen. Diese Saison war eigentlich als Übergangsjahr gedacht, in dem er wieder richtig gesund werden wollte. Ausgerechnet in diesem Jahr gelang ihm der Durchbruch.

MARKUS VÖLKER