Psychoterror bleibt straffrei

Andauernde Belästigung, „Stalking“ genannt, wird auch in Deutschland ein Thema. Gerichte verbinden ihre Urteile mit zusätzlichen Auflagen

Steven Spielberg kennt es ebenso wie Brad Pitt, und auch Madonna litt darunter: unter nächtlichem Telefonterror, E-Mail-Bomben, zerstochenen Autoreifen, Verfolgungen und regelrechten Belagerungen bis hin zur Körperverletzung.

„Stalking“ heißt diese besonders ausdauernde Form der Belästigung – und nicht nur prominente Hollywoodstars leiden darunter. Amtsrichter Peter-Michael Pawlik verurteilte jetzt einen 40-jährigen Bremer zu fünf Monaten Haft, ausgesetzt zu einer dreijährigen Bewährungszeit. Eine Bekannte warf dem Mann vor, sie an einem Nachmittag vergangenen Jahres stundenlang durch Blumenthal verfolgt zu haben. „Dich stech‘ ich ab“ und „Du bist, tot, bevor du 40 wirst“, soll der gelernte Maschinenschlosser ihr gedroht haben. Damals war sie 39.

Schon seit sieben Jahren treffen sich die beiden regelmäßig vor Gericht. Meist hatte sie wegen typischer „Stalking“-Merkmale wie Verfolgung, Beleidigung und Bedrohung geklagt – bislang mit wenig Erfolg. Der Angeklagte dagegen stritt stets alles ab und bemühte seinerseits das Amtsgericht Blumenthal. Er behauptete, von der Klägerin verleumdet, bedroht und angegriffen worden zu sein.

Morddrohungen sind Straftaten. Gegen die kann man zwar klagen, auch wenn nicht alle Opfer dieses Recht wahrnehmen. „Stalking“ allein dagegen kann in Deutschland nicht bestraft werden: Hunderte von nächtlichen Anrufen zum Beispiel kann ein Gericht nicht ahnden, solange der Anrufer keine Drohungen ausspricht. Stundenlange Verfolgungen sind strafrechtlich einwandfrei, wenn der Verfolger nicht gewalttätig wird. Beide Fälle würden in den USA bereits den Straftatbestand „Stalking“ erfüllen.

Die Bremer Staatsanwaltschaft beschäftigt sich mit dem Phänomen seit etwa eineinhalb Jahren. „Unter allen verhandelten Fällen können wir 100 bis 200 Fälle mit „Stalking“ in Verbindung bringen“, schätzt Pressesprecher Torsten Prange. Zuverlässige Statistiken gebe es aber noch nicht. Und es würden längst nicht alle Fälle erfasst: Die Grenze zwischen lästiger Aufdringlichkeit und Straftat sei nicht eindeutig definiert. Selbst wenn es im Zuge der Verfolgung zu klaren Straftaten käme, sei die Lage noch unklar, so Prange. Da greife in Amerika das „Stalking“-Gesetz.

Doch auch in Deutschland sind den Gerichten die Hände nicht völlig gebunden, wenn sie „Stalking“ berücksichtigen wollen: Zwar wurde der 40-jährige Angeklagte wegen der Morddrohungen verurteilt, nicht wegen der stetigen Belästigung. Doch um ihn in Zukunft vom „Stalken“ abzuhalten, darf er sich der Angeklagten und ihrer Wohnung in der Vegesacker Innenstadt nicht nähern.

slk