Sieben Jahre fest auf Zerstörerkurs

Bei seinem Amtsantritt 1995 hatte sich Hansjürgen Karge noch als „Panzerkreuzer“ vorgestellt: „Wir werden mit allem feuern, was das Strafrecht hergibt.“ Doch das Motto „Viel Feind, viel Ehr“ hilft nichts, wenn man kein Freunde mehr hat

In der Berliner Staatsanwaltschaft richten sich derzeit alle Augen auf das Rote Rathaus in Mitte. Dort will Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) heute dem Senat die Abberufung ihres Generalstaatsanwaltes beim Landgericht, Hansjürgen Karge, vorschlagen und bereitet damit ein schweres Seegefecht mit dem „Panzerkreuzer“ Karge vor. Als solcher nämlich wolle er durch das Berliner Landgericht pflügen, hatte Karge kurz nach seinem Amtsantritt im Februar 1995 erklärt.

Karge hatte seine juristische Laufbahn in Hessen begonnen. 1971 wurde er beim Landgericht Darmstadt zum Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt und arbeitete von 1976 bis 1978 als Referent im hessischen Justizministerium. Danach war Karge bis 1981 zum Generalbundesanwalt in Karlsruhe abgeordnet.

Seine neue Mannschaft empfand der Mann auf der Brücke, der von 1990 bis 1993 die Justizbehörde in Thüringen aufgebaut und zuletzt die Staatsanwaltschaft in Marburg geleitet hatte, als „verwöhnt“, „egoistisch“ und jammernd“ und warf ihr zum Teil mangelnde Effizienz vor. Mit „altpreußischem Gehorsam“ wollte er sie wieder auf Vordermann bringen: schnellere Verhaftungen und härtere Strafen. „Wir werden mit allem feuern, was das Strafrecht hergibt“, erklärte der neue Kommandant der Strafverfolger.

Kritik hagelte es auch für die Richter, die zu wenig begriffen, dass sie eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft hätten. Mit derart kernigen Rufen nach mehr Härte sichert man sich zwar häufig den Beifall der Öffentlichkeit, die Berliner Strafverteidiger allerdings waren entsetzt. Und auch an Bord seines Moabiter Kreuzers machte sich Karge nicht viele Freunde und lag schon früh mit der eigenen Behörde in Unfrieden. Auch das Verhältnis zu seinem Vorgesetzten, dem Generalstaatsanwalt am Kammergericht, Dieter Neumann, gilt als gespannt.

Schon Schuberts Amtsvorgänger Lore Marie Peschel-Gutzeit, Ehrhart Körting und Wolfgang Wieland hatten daher mehrfach darüber nachgedacht, ob und wie der „Querkopf“ (Karge über Karge) abgelöst werden könnte. Vor allem bei der Aufklärung des Sturms auf das israelische Generalkonsulat 1999 spielte Karge einen unrühmlichen Part. Der Vorwurf: Er habe sich nicht genug eingesetzt, dass die israelischen Sicherheitsbeamten vernommen werden. Diese Zeugenaussagen stehen bis heute aus.

Seine Ablösung ist allerdings ein brisantes Thema, gilt die Justiz doch gern als politisch unabhängig, auch wenn Weisungen an die Staatsanwaltschaft – anders als bei Richtern – durchaus möglich sind. Trotz schwerer See hat Karge seinen Kurs somit sieben Jahre lang halten können. Dem „Panzerkreuzer“ steht nun die letzte Schlacht bevor.

Die Machtprobe mit seiner Senatorin hatte er schon unmittelbar nach deren Amtsantritt gesucht und Entscheidungen getroffen sowie öffentliche Stellungnahmen abgegeben ohne sie zuvor darüber zu informieren. Zuletzt in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Berliner Bankenkrise. An Schubert vorbei hatte Karge seinem Oberstaatsanwalt Dorsch vor kurzem überraschend die Leitung der Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft entzogen. Damit brachte er die Justizsenatorin, die sich ausdrücklich ausbedungen hatte, in allen Angelegenheiten der Bankgesellschaft informiert zu werden, endgültig in Rage. Mit voller Kraft ging die auf Abfangkurs: Klar Schiff zum Gefecht!

OTTO DIEDERICHS