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: Revolution in Rio

„Kriegerin des Lichts“ (23.00 Uhr, ARD)

Eine reiche brasilianische Künstlerin, die sich rührend um Straßenkinder in Rio de Janeiro kümmert – das klingt gewaltig nach einem Betroffenheits-Film über Gutmenschentum. Doch Yvonne Bezerra de Mello ist keine Charity-Tante, die – um ihr eigenes Seelenheil besorgt – ein paar armen Kindern den Kopf tätschelt.

Mit ihrem Hilfsprojekt „U-erê“ (Kinder des Lichts) will sie unter den Straßenkindern Rios eine „Revolution des Bewusstseins“ in Gang setzen. Da in ihren Augen nur Bildung und Eigenmotivation den Kindern eine Perspektive eröffnen können, bemüht sich De Mello zu vermitteln, dass Armut kein normaler Lebenszustand ist, den man akzeptieren muss. Sie ist unsentimental, scheut sich nicht vor Dreck und Gestank und verteilt ihre Zuneigung wie Vitaminpillen – gerecht und hoch dosiert. Dass sie die Frau eines reichen Hoteliers ist, ein luxuriöses Stadtapartment und eine Ferienvilla besitzt und sich am liebsten beim Dressurreiten von ihrer Arbeit erholt, empfindet sie dabei nicht als Widerspruch.

Bekannt wurde sie erstmals durch ihr Engagement nach dem Candelaria-Massaker, bei dem Militärpolizisten 1993 acht Straßenkinder ermordeten. Damals wurde sie zu jener „Kriegerin des Lichts“, die in Brasilien heftig umstritten ist. Von den Armen wird sie verehrt, von der reichen Oberschicht Rios dagegenmisstrauisch beäugt. Was ist das für eine Frau, die im Gucci-T-Shirt durch Kloaken watet, sich mit Drogendealern arangiert und bei ihrer Arbeit in den Slums von Rio täglich ihr Leben riskiert?

Monika Treut ist mit „Kriegerin des Lichts“ ein spannendes Porträt einer ungewöhnliche Frau gelungen. Treut verzichtet auf erklärende Kommentare aus dem Off, lässt die Bilder und vor allem ihre Hauptperson und die Kinder sprechen. Leider gelingt der Kamera dabei manchmal genau das nicht, was für Yvonne ganz selbstverständlich ist: nicht unbedingt die süßesten Kinder auszusuchen.

Auch wenn der Film an sich keine politischen Hintertöne hat, verdichtet sich in der Person Yvonne de Mello und ihrem Leben zwischen glänzendem Schein und bedrückender Armut doch die widersprüchliche Komplexität Brasiliens.

ALENA SCHRÖDER