Größte US-Firmenpleite aller Zeiten

WorldCom sucht Schutz vor seinen Gläubigern. Der Telekommunikationskonzern kann seine 41 Milliarden US-Dollar Schulden nicht begleichen und meldet Konkurs an. Deutsche Bank mit über einer Milliarde Dollar betroffen. Internet läuft weiter

von BEATE WILLMS

John Sidgmore hat es nicht geschafft. Dem neuen WorldCom-Vorstandschef ist es nicht gelungen, die vor vier Wochen bekannt gewordenen Bilanzfälschungen in Höhe von 3,85 Milliarden US-Dollar als Werk von Einzeltätern darzustellen und das Vertrauen in den Konzern wiederherzustellen. Am Sonntagabend musste der zweitgrößte US-Telekommunikationskonzern, der zugleich fast die Hälfte des weltweiten Internetverkehrs abwickelt, mit allen inländischen Töchtern Konkurs anmelden, um sich vor seinen Gläubigern zu schützen.

Es ist die größte Firmenpleite in der US-Geschichte und übertrifft den Konkurs des ebenfalls mit falschen Zahlen aufgeflogenen Energiehändlers Enron um mehr als 40 Prozent. Da WorldCom die Insolvenz nach Kapitel 11 des US-Konkursgesetzes beantragt hat, kann der Geschäftsbetrieb weiterlaufen, während an einem Sanierungsplan gearbeitet wird. Ganz glücklich sind viele Gläubiger nicht damit, dass Sidgmore so weiterhin an der Spitze des Unternehmens verbleibt – immerhin war er zum Zeitpunkt der Zahlenmanipulationen und auch der Selbstbedienung seines gefeuerten Vorgängers Bernard Ebbers schon Mitglied des Verwaltungsrates.

Am direktesten trifft der Kollaps die Gläubigerbanken. Im Konkursantrag listet WorldCom-Vizepräsidentin Susan Mayer Schulden in Höhe von 41 Milliarden US-Dollar auf. 17,2 Milliarden davon gehen allein auf das Konto von JP-Morgan. In Europa ist die Deutsche Bank mit rund 1,25 Milliarden US-Dollar, die sich aus einer Anleihe von gut 1 Milliarde und einem direkten Kredit über rund 240 Millionen US-Dollar zusammensetzen, am stärksten belastet. Die Aktie sackte denn auch bis gestern Nachmittag um 4,2 Prozent. Als zweites deutsches Kredithaus ist die WestLB mit rund 171 Millionen US-Dollar dabei.

Immerhin stehen den Schulden Vermögenswerte über 107 Milliarden US-Dollar gegenüber. Der Konzern verfügt über ein sehr umfangreiches und modernes Kabelnetz und realisiert darüber auch durchaus vielversprechende Einnahmen. Fraglich ist aber, wie viel von diesen Werten sich bei einer Zerschlagung tatsächlich zu Geld machen ließe.

Verlierer der ganzen Geschichte sind jetzt schon die Beschäftigten. Sidgmore hatte noch vor dem Konkursantrag angekündigt, 17.000 der mehr als 60.000 Mitarbeiter in den USA – weltweit sind es etwas 85.000 in 65 Ländern – zu entlassen. Und die Aktionäre können ihr Geld vergessen: Wer 1999, auf dem Höhepunkt des Telekombooms, einstieg, zahlte 64,50 US-Dollar für eine Aktie, die heute nur noch Cents wert ist.

Aber die Auswirkungen könnten noch erheblich größer sein und den Rahmen der direkt mit WorldCom Verkoppelten sprengen. Schließlich hat der Niedergang in der Telekommunikationsbranche wesentlich zur Wirtschaftskrise beigetragen und ist nun auch ein wesentlicher Risikofaktor bei der Frage, wie weit der Aufschwung tragen kann. Ähnliches gilt für die Finanzmärkte, wo die Telekomwerte seit 1999 zwei Billionen US-Dollar an Wert verloren haben.

Weniger Schwierigkeiten haben die Telefon- oder Geschäftskunden zu erwarten. Die zuständige US-Behörde FCC achtet sehr darauf, dass die Kommunikationsinfrastruktur auch bei Pleiten von Telekommunikationsunternehmen aufrechterhalten bleibt. Orts- und Ferngesprächsdienste sowie Internetzugänge dürfen deshalb nur mit einer Frist von einem Monat oder länger gekündigt werden. „Die Frage ist eher, ob die Kunden abwandern, nicht ob WorldCom ihnen kündigt“, meinen Branchenexperten. Profitieren würden demnach die WorldCom-Konkurrenten AT & T oder Sprint – oder regionale Telefongesellschaften wie Verizon, SBC oder Bell South. Diese könnten WorldCom nach dessen Sanierung übernehmen – FCC-Chef Michael Powell hat signalisiert, der Aspekt einer möglichen Monopolstellung müsse bei einem solchen Deal hinter die Probleme zurücktreten, die ein Komplettausfall von WorldCom bedeuten würde.

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