Mit Füßen getreten

Hamburger Amateurclubs ärgert die Beschränkung von Nicht-EU-Kickern zur Förderung deutscher Talente – Wettbewerbsverzerrung erwartet

Der Fußball hilft, (Nicht-) Zuwanderungspolitik zu machen.

von JÖRG FEYER

Stolziert nicht gerade Gerhard Meyer-Vorfelder mit einem neuen Superförderprogramm vor die Kameras, ist die Debatte über den deutschen Fußballnachwuchs seit dem überraschenden Finaleinzug der Nationalkicker bei der WM 2002 fast verstummt. Dabei fangen die Maßnahmen in der täglichen Kleinarbeit gerade erst an zu greifen, die vom DFB nach der desaströsen Vorstellung bei der EM 2000 initiiert wurden, um hiesigen Talenten den Sprung in den Herrenbereich womöglich zu erleichtern. Neben der umstrittenen Neuregelung, nach der im Amateurbereich ab der kommenden Saison mindestens vier U24-Spieler (sechs ab 2003/04) auf den Spielberichten auftauchen müssen (taz hamburg berichtete), rücken nun auch die Nicht-EU-Ausländer in den Blickpunkt. So dürfen alle Oberligisten mit sofortiger Wirkung Verträge mit Spielern dieser Kategorie zwar noch verlängern, aber keine neuen mehr abschließen. Das ist europaweit gesehen sogar noch eine liberale Direktive. In Italien etwa dürfen selbst Profi-Clubs nach dem 31. August keine Spieler aus Nicht-EU-Ländern mehr einstellen. Da müssen dann ein paar ausgegrabene Vorfahren für den richtigen Pass herhalten.

„Zu überstürzt“ habe der DFB das neue Regulierungspaket verabschiedet, findet nicht nur Hermann Klauck, Fußballobmann der Oberliga-Amateure des FC St. Pauli. Wie überstürzt, zeigt die Recherche bei den Regionalverbänden. Beim Hamburger Fußballverband (HFV) fehlt zunächst „noch der Überblick“, zwei Tage später weiß HFV-Mann Jörg Timmermann immerhin, dass ab der Oberliga abwärts „höchstens zehn bis 15 Vereine“ von der Beschränkung für Nicht-EU-Ausländer betroffen sein werden. Geht es dann ins Detail, verweist der Hamburger Verband an den Norddeutschen (NFV) – und der wieder zurück an den HFV, denn der, so heißt es beim NFV, erteile ja die Spielgenehmigungen für die Hamburger Clubs.

Besonders eine Genehmigung ist dabei in der Praxis fragwürdig: Denn Bundesligaclubs wie der FC St. Pauli dürfen weiterhin Profis bei den Amateuren warmlaufen lassen, auch wenn diese Nicht-EU-Ausländer sind. Somit gilt die Beschränkung nur, wenn Spieler explizit mit einem Amateurvertrag ausgestattet sind wie bei Oberligisten ohne Profi-Überbau. Warum das so ist, fragt man am besten in Frankfurt beim DFB-Justitiar Willi Hink nach. Der weist erst mal darauf hin, dass hier „in erster Linie nicht DFB-Bestimmungen, sondern öffentliches Recht (...) gilt“. Sprich: Der Fußball hilft, (Nicht-) Zuwanderungspolitik zu machen. Denn: Ohne Amateurvertrag auch keine Aufenthaltsgenehmigung. Und die Gretchenfrage für die Praxis? Ja, der FC St. Pauli kann auch kommende Profi-Brasilianer weiter in der Oberliga-Amateurtruppe einsetzen. Allerdings wird in den nächsten zwei Jahren das Kontingent dieser Leihgaben auf drei Spieler beschränkt, um, so Hink, „die damit möglicherweise verbundene Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden“. Möglicherweise ist gut. Der fade Beigeschmack, dass der obere Amateurbereich über Gebühr belastet wird, um die Zukunft des deutschen Profi-Fußballs zu sichern, wird durch die neue Nicht-EU-Ausländerregelung verstärkt. Jörg Timmermann hat ob des gesamten Maßnahmenpakets immerhin „die gute Hoffnung, dass sich künftig mehr Talente durchsetzen werden“. So wie Kevin Hansen, der lange in der Jugend bei Vorwärts Wacker kickte und just Profi beim FC Hansa Rostock geworden ist. Hermann Klauck bleibt skeptisch. Abgesehen davon, dass die Neuregelung „im Sinne des Gleichheitsprinzips ungerecht“ sei, kann er auch den Sinn nicht recht erkennen. Klauck: „Ich bin nicht überzeugt davon, dass das die große Wende bringt in der Talentförderung.“