dördedördör*
: Bottermelktango

Aus dem Leben eines Kuhfriseurs

Der legendäre Hannes Flesner, „Schangsongjee“ und in den 70er Jahren als erster Medienostfriese auch vor dem Deich zu einigem Ruhm gelangt, brachte es auf den Punkt: In seiner Hymne „Bottermelktango“ fragt er: „Wer gibt uns Milch und Fleisch? Die Koh, die Koh, die Koh.“ (Zu deutsch: Die Kuh, die Kuh, die Kuh.) Damit fügte Flesner den vier Elementen Boden, Wasser, Luft und Feuer die ostfriesische Dimension hinzu, eben die Kuh.

Das Lied rührt Johann Tammen (24) aus Friedeburg noch heute: „Als junger Rindviehzüchter hat man natürlich eine besondere Beziehung zur Kuh.“ Statt wie viele seiner Freunde und Freundinnen an Wochenenden in Discos abzuhängen, stapft der Junge durch den elterlichen Stall. Der Jungbauer ist nicht nur ein Meister des Mähens, Melkens und Mistfahrens, er beherrscht auch die Kunst des Waschens, Schneidens und Legens perfekt. Tammen ist Kuhfriseur oder, wie es korrekt heißen muß, „cow-fitter“. Denn die Profession, Kühe für Schauwettbewerbe aufzurödeln, kommt aus den USA. „Amerikanische cow-fitter sind echte Künstler“, so Tammen. Vor wichtigen Schauen lassen sich deutsche Bauern amerikanische „cow-fitter“ einfliegen. „Denen sehen wir zu und staunen nur“, gibt Tammen neidlos zu.

Wie wird einer Kuhfriseur? „Mein Lehrer war ein Meister des deutschen cow fittings. Er hat nur für die Kuh gelebt, das steckt an“, Tammens Augen bekommen dieses Glimmen, welches Leidenschaft andeutet. Warum frisiert man Kühe? „Natürlich nicht für den Alltag. Wir haben Kuhschauen auf Bezirks-, Verbands- und Nationalebene. Da gibt es auch schon mal Geldprämien, so 500 Euro. Die Auszeichnung wird im Zuchtbuch vermerkt, und das erhöht den Wert der Kuh.“ Und was macht ein Kuhfriseur? Tammen: „Das ganze Programm, Waschen ist wichtig. Dann Scheren und ja, wir fitten auch mit Farben nach.“

In Ostfriesland gibt es die Rasse der schwarz-bunten Kühe. Das ist eine ästhetische Übertreibung, denn das Fell dieser Tiere ist in der Regel nur schwarz-weiß. Eine beliebte Wette mit Touristen: „Wenn du eine Kuh mit einem weißen Ohr findest, kriegst du zehn Euro. Wenn nicht, zahlst du mir das Geld.“ Bis heute wurde noch keine Schwarz-Bunte mit ausschließlich weißem Ohr gefunden.

„Wir arbeiten die Persönlichkeit der Kuh heraus. Da ist in erster Linie das Euter, das mit seiner Textur der Adern hervorgehoben wird. Das Euter wird also immer ganz kurz geschoren. So was beeindruckt die Jury. Dann unterstreichen wir die Führung der Knochen. Fein gegliederte, fliessende und elegante Knochenführung deuten auf gute Milchqualität hin. Das Schwerste ist es, Schärfe in die Kuh reinzubringen, indem man die top-line pusht“ - der Kuhfriseur kommt ins Schwärmen. Die top-line, das ist die Rückgrat-Partie. Da wird geschnibbelt, gekämmt und gefärbt. Weiße Flächen werden mit nachgeweißt und schwarze Partien dunkler geschwärzt. „Das ist erlaubt“, beeilt sich Tammen festzustellen. Denn überall, wo es was zu gewinnen gibt, sind Gauner am Werk. So wurden Kühen schon Silikonteile in das Euter implantiert, um ein pralleres Milchwerk vorzutäuschen. „Heute wird jeder Kuh vor dem Wettbewerb das Euter gescannt“, weiß Tammen.

Heftige Diskussionen gibt es bei cow-fittern über das Problem der Haarteile. Darf man die Schwanzquaste buschiger manipulieren und ihr ein Perückenteil einflechten? „Sagen wir so, es ist nicht ehrlich, aber verboten ist es nicht“, sagt Tammen. Er selbst würde nie einer Kuh künstliche Haare applizieren. „Das geht auch anders, etwa durch ausgedehntes Waschen, Föhnen und Bürsten“, meint der Jungfriseur. Überhaupt, Waschen ist das A und O des Kuhstylings.

Thomas Schumacher

* „Dör de dör dör“ heißt: „durch eine Tür durchgehen“. Dabei ist nicht unbedingt klar, ob die Tür offen steht oder nicht. Ostrfriesen mögen solche Spitzfindigkeiten nicht.