Familie lässt grüßen

Der kanadische Slide-Gitarrist Harry Manx gab zum ersten Mal ein ‚richtiges‘ Konzert. Und zwar im ausverkauften Sendesaal von Radio Bremen

Seine Biografie liest sich ein bisschen wie die Mär von der Kelly Family. Aber nur ein bisschen. Denn Frau Manx und Sohn Hector sitzen, wie Harry Manx auf Publikumszuruf mitteilt, brav zu Haus in Kanada. Daraus lässt sich kaum ein Popmythos stricken. Bei den Kellys auch nicht wirklich. Die Verbindung besteht eher darin, dass Manx jahrelang als Straßenmusiker durch die Welt getingelt ist. Für „Sparkasse in Concert“ gab er Montagabend sein erstes richtiges Konzert hierzulande – mit Gästen, Ansage und Liveübertragung im Radio. Und das sei ihm gegönnt.

Aufgewachsen ist Manx auf der Isle of Man – nicht eben ein klassisches Anbaugebiet für Blues – und siedelte dann nach Kanada über. Anschließend lebte Manx in Europa, Japan und Brasilien. In Indien studierte er klassische indische Musik wie den Raga und lernte und spielte mit der Slide-Legende Vishwa Mohan Bhatt. Vielleicht war deshalb der Sendesaal restlos ausverkauft – begehrter wären höchstens noch Rhythmen aus Cuba gewesen.

Angenehm an Manx‘ Musik ist, dass aus der Verbindung verschiedener musikalischer Einflüsse kein Multikulti-Programm wird. Endlich mal kein Geklöter nach dem Motto: Dass Menschen jederzeit und in jedem Winkel der Erde auf irgendwas rumgeklöppelt haben, kann prima ein universalistisches Konzept ersetzen. Manx ist auch kein Theoretiker. Er gibt sich wohltuend unaffektiert, erzählt Geschichten und Anekdoten. Und vor allem spielt er – zweieinhalb Stunden lang.

Auch wenn das eine oder andere Raga-Intro nicht wirklich sinnfällig ist, besticht Manx ein ums andere mal als Sänger und auch als Songwriter. Selbst der Rezensent, unter normalen Umständen weder dem Blues noch der indischen Musik sonderlich zugeneigt, war an diesem Abend reichlich verblüfft.

Es mag der Rückbezug auf country-spezifische Melodieführung gewesen sein, oder auch die unprätentiöse Art, in einem Solokonzert so zu spielen, als stünden mindestens Bass, Lap-Slide- und Rhythmusgitarre auf der Bühne, oder auch, dass es zur Vervollständigung des Sommerabendsubstituts in der Pause Bier aus Dosen gab: Die Stimmung derer, die am späten Montagabend zum Sendesaal gekommen waren, war einfach sommerlich und ganz entspannt.

Immer wieder brach Manx klassische Blues-Schemata auf. Etwa wenn sich die jaulenden Melodiebögen und der Slide der Singstimme über mehrere Takte angleichen. Nah dran ist Manx auch dann, wenn er die glasklare Abstimmung der Anlage mit seinem LoFi-Stil konfrontiert. Da schnarren und Klatschen die Saiten. Ob auf sechs-saitigem Banjo oder mit der vielsaitigen, nach seinem indischen Verbündeten benannten Mohan Veena: Es gelingt dem Briten, den roten Faden des Abends – welcher das auch immer gewesen sein mag – nie aus den Augen zu verlieren.

Neben Covern von „Foxy Lady“ oder auch B.B. King und Muddy Waters spielte Manx fast das gesamte Programm seiner beiden Platten „Dog My Cat“ und „Wise or Otherwise“. Schräg – und doch selbstverständlich. Nur hätte man Manx vorher warnen sollen. Und versuchen zu erklären, dass Menschen hierzulande durchaus in der Lage sind, minutenlang am Takt vorbei mitzuklatschen. Aber was soll‘s.

Tim Schomaker