wir geben ihrer zukunft (k)ein zuhause
: Ansichten vom XXI. Weltkongress der Architekten

Im Raumschiff zur besseren Welt

Noch auf der vergangenen Architekturbiennale in Venedig vor zwei Jahren stellten sich die großen Baumeister und Planer die zukünftige Welt als riesiges Raumschiff vor. Überall waren in den Pavillons – außer im deutschen mit seinen Berliner Stadtgrundrissen – kleine und weniger kleine Container zu sehen, die als Rückzugsorte vor der schrecklichen Wirklichkeit der Städte fungierten.

Daneben entwarfen Architekten ganze Flotten von innovativen Behausungen, die in der Luft, im Weltall oder sonstwo sein könnten. Die Welt ist kaputt, machen wir uns auf in eine neue, lautete die Botschaft. Kurz darauf wurde der Direktor der Architekturbiennale entlassen. Was für ein Schwachsinn als Konzept, so eine Begründung.

Gestern sprach mich ein Architekt aus Singapur auf dem UIA-Kongress, der im ICC stattfindet, an, von wo aus man denn den besten Blick auf Berlin haben könnte. Er hatte seine Kamera im Anschlag und wollte einen Schnappschuss machen. Ich stand mit ihm am Info-Counter, von dort wurde er in die oberste Etage geschickt oder hinauf zum Parkdeck des Congress-Centers, jedenfalls verschwand er in diese Richtung.

Es war ihm auch egal, dass im großen Saal Bundeskanzler Gerhard Schröder zur gleichen Zeit die Architekten der Welt aufrief, sich mehr anzustrengen, um eine bessere Welt zu bauen. Nachhaltigkeit und Qualität von Architektur müssten zum ersten Baustein für die Zukunft werden, so der Kanzler.

Eine Stunde später war der Mann aus Singapur wieder zu sehen. Er hatte sich im Foyer vor den Stellwänden aufgebaut, auf denen Berliner Ansichten auf großen Fotoprospekten angepinnt sind, und fotografierte diese ab. Vom obersten Geschoss oder vom Dach des ICC aus kriegt man wohl die Stadt nicht zu sehen, jedenfalls das Berlin nicht, das aus der City West, den Linden, dem Regierungsviertel und vielem anderen mehr besteht.

Dass das ICC schon gleich nach seiner Fertigstellung als Raumschiff bezeichnet wurde, ist kein Geheimnis. Julius Posener, einer der einfühlsamsten Architekturkritiker, hatte es einmal als schalldichten Bau auf einer Verkehrsinsel bezeichnet, der, von Stadtautobahnen begrenzt, sich vom Rest der Stadt abkoppelt. Wenn man durch die Bullaugen nach draußen blicke, falle zudem der Blick immer wieder auf das Gebäude selbst und schließe den Dialog mit der Umgebung fast aus. Seit gestern ist klar, dass auch vom Dach des Gebäudes kein Dialog mit Berlin zu führen ist.

Der Generalsekretär des UIA-Kongresses hat sich bereits im Vorfeld dafür entschuldigt, dass man einen Mammutkongress in Berlin nur in dem Raumschiff ICC durchführen könne. Selbst die Staatsoper, das Velodrom, die Humboldt-Universität oder das Tempodrom reichten dafür nicht aus, obwohl die sicher die besseren Standorte darstellten.

Sei’s drum. An das ICC und seine abgeschlossenen Räume und Säle werden sich auch die Architekten nicht gewöhnen. Aber vielleicht ist es gut genug, sich dessen zu versichern, dass die Zeit, so zu bauen, endgültig vorbei sein muss.

Ja, man hat das Gefühl, dass selbst gestandene Anhänger von Megacities und Hightech-Architekturen vom ICC ex negativo beeinflusst werden. Albert Speer junior, der Stadtplaner ganzer Hochhausmeilen für Frankfurt und anderswo, macht jetzt voll auf Öko. Tay Kheng Soon aus Asien, wie Speer ein Freund gestapelter Urbanität, zitiert die alten Meister chinesischer Philosophie, die den Menschen und seine gebaute Umwelt im Einklang mit der Natur sehen wollten. Und nach der Auftaktveranstaltung über „Ressource Architektur“ als Zukunftsvision für nachhaltiges, dem Prinzip der Ökologie verantwortetes Bauen lichteten sich merklich die Reihen im Saal 1. Man drängte hinaus, in die Stadt. ROLF LAUTENSCHLÄGER