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: Celtics hoffen auf die Renaissance des Vin Baker

Zwischen Himmel und Hölle

„Never change a winning team“ heißt eine alte Devise, von der zumindest Paul Gaston, Besitzer des Basketballteams der Boston Celtics, offensichtlich noch nichts gehört hat. Nun haben die Celtics zwar nicht alles gewonnen in der letzten NBA-Saison, doch die Mannschaft schaffte es, nach vielen Jahren abgrundtiefer Erfolglosigkeit, zu einem den besten Teams der Eastern Conference zu avancieren. Bis ins Halbfinale drang die Mannschaft vor, wo sie den New Jersey Nets einen heißen Play-off-Kampf lieferte, bevor diese ins Finale einzogen, wo sie den Los Angeles Lakers glatt mit 0:4 unterlagen.

Prompt begannen die darbenden Celtics-Fans von einer Rückkehr zu alter Glorie zu träumen, als man in den 80er-Jahren mit Larry Bird dreimal Champion wurde. Noch ein paar vorsichtige Verstärkungen, so dachte man, fertig wäre der Titelkandidat. Ein fragwürdiger Trade droht die neu gewonnene Balance jedoch in Gefahr zu bringen. Um die Luxussteuer zu vermeiden, die erhoben wird, wenn die Gehaltssumme 50 Millionen Dollar überschreitet, schickten die Celtics Point Guard Kenny Anderson (31) zusammen mit Vitali Potapenko und Joe Forte zu den Seattle SuperSonics. Anderson war mit seiner Erfahrung, seinen Pässen, seinen Punkten und besonders seiner Defense einer der Schlüssel für den Erfolg der Celtics, die im Gegenzug Star-Forward Vin Baker und Guard Shammond Williams erhalten.

Wo das Tauschgeschäft besser ankam, wurde schnell deutlich. „Sonics beenden Vin-Sanity“, jubelte die Seattle Times, „einen klassischen Underachiever“ nannte der Boston Globe den prominenten Neuzugang. Seattles Coach Nate McMillan hatte die Hoffnung aufgegeben, dass der 30-jährige, übergewichtige Baker noch einmal die Stärke erreichen würde, die ihn zum All Star werden ließ. „Wir konnten nicht noch ein Jahr mit Vin und den Schwierigkeiten, die er mit seinem Spiel hat, weitermachen“, sagte McMillan und verwies auf die vergebliche Mühe, die er sich mit Baker gegeben hatte: „Ich war Psychologe, Berater, Trainer, Freund, Vaterfigur und Priester.“

Obwohl ihm die Celtics allein für die kommende Saison rund 12 Millionen Dollar zahlen müssen, kommen sie mit Baker günstiger weg, als wenn sie Anderson behalten und Forward Rodney Rogers einen neuen Vertrag geben würden. Rogers, zuletzt ebenfalls ein wichtiger Baustein, könnte durch Vin Baker ersetzt werden, wenn der es schafft, Spiel und Selbstbewusstsein wiederzufinden. Den Verlust von Kenny Anderson können jedoch weder sein Backup Tony Delk noch Shammond Williams wettmachen. Dafür gibt es jetzt Gedränge in der Offensive, wo Baker wahrscheinlich häufig auf die Position des Centers rücken wird. Eher eine Notlösung, zumal er kein guter Rebounder ist, und seine Stärke, das Punkten in Korbnähe, dadurch relativiert wird, dass die Celtic-Stars Antoine Walker und Paul Pierce ihm nur wenige Würfe lassen werden.

Nichtsdestotrotz ist der aus Connecticut stammende Vin Baker glücklich über die Rückkehr an die Ostküste. „Ich bin ekstatisch, das ist das Beste, was mir in meiner zehnjährigen Karriere passiert ist“, freute er sich, „ich fühle, ich kann wieder ein All Star werden, mit diesem Team ist nur der Himmel die Grenze.“

In Boston ist man skeptisch, doch ein gewisses Problem gibt es auch in Seattle: Mit Kenny Anderson und Gary Payton müssen die Sonics immerhin zwei der größten NBA-Egos auf der Point-Guard-Position unter einen Hut bringen. MATTI LIESKE