Umweltbilanz der EU-Kommission

Zur Halbzeit mäßige Noten von acht Umweltverbänden. Zu viel kuschen vor der Industrie – und vor Deutschland

BRÜSSEL taz ■ Kein Ökosiegel für die EU-Kommission. Das ist die Bilanz, die acht Umweltverbände gestern zur Hälfte der Amtszeit von Kommissionspräsident Romano Prodi und seiner Mannschaft zogen. Unter dem Motto „Wie grün ist die Prodi-Kommission?“ bewerteten sie deren Umweltpolitik in den letzten zweieinhalb Jahren. Antwort: Höchstens graugrün.

Nur in drei Punkten zeigten sich die Umweltschützer zufrieden: Sie lobten den Einsatz der Kommission für die Ratifizierung des Kioto-Protokolls für Klimaschutz nach dem Ausstieg der USA sowie die „mutigen“ Reformvorschläge zur EU-Landwirtschafts- und zur Fischereipolitik, so Elizabeth Gutenstein vom World Wildlife Fund (WWF). Genau dieses Engagement vermissen die Öko-Lobbyisten in anderen Bereichen. So zeige die Kommission zu wenig Ehrgeiz bei der nachhaltigen Entwicklung. In der Verkehrspolitik setze sie einseitig auf Liberalisierung. Die Selbstverpflichtung der Autohersteller, den Schadstoffausstoß zu senken, reiche nicht aus.

Besonders heftig kritisierte der WWF ein Papier zur Energiepolitik, das die Kommission im August auf dem Weltgipfel in Johannesburg präsentieren will. Darin verspricht sie Entwicklungsländern, die sich für die Nutzung von Atomkraft entscheiden, technische Unterstützung. Auch sonst gab es schlechte Noten für die Energiepolitik: So habe die Kommission es noch immer nicht geschafft, Subventionen für fossile Brennstoffe wie Kohle zu verbieten, weil sie immer wieder vor dem Widerstand der Mitgliedstaaten einknicke – „besonders vor Deutschland“.

Schwer enttäuscht sind die Umweltschutzverbände von der Richtlinie zur Umwelthaftung, die die Kommission im Frühjahr vorgestellt hat. Sie soll das Verursacherprinzip europaweit stärken, klammert aber große Verschmutzer wie die Atom- und die Ölindustrie aus. Auch Biotech-Unternehmen sollen nicht haften müssen, wenn sich etwa Samen genetisch veränderter Pflanzen auf konventionelle Felder ausbreiten. Die einzige Kommissarin, die sich für eine Haftung in diesem Fall aussprach, war die deutsche Haushaltskommissarin Michaele Schreyer.

Viele grüne Punkte bekamen auch Umweltkommissarin Wallström und Agrarkommissar Fischler. Als größte Umweltsünderin haben die acht Verbände die spanische Energiekommissarin Loyola de Palacio ausgemacht. Nicht nur in ihrem eigenen Bereich, sondern auch etwa bei der Fischereipolitik habe sie versucht, umweltfreundliche Maßnahmen zu blockieren.

Insgesamt ist die Kommission den Umweltschützern zu industriefreundlich. Nur wenn die Industrie mitziehe, sei sie umweltpolitisch erfolgreich – Beispiel Kioto-Prozess: Da die europäische Industrie in der Herstellung schadstoffarmer Anlagen führend ist, erhoffte sie sich von dem Abkommen Exportvorteile.BARBARA SCHÄDER