Seehofer macht den Sozial-Herkules

Union will Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 1 Prozent verringern und alle anderen Sozialversicherungen „stabilisieren“. Und wie? Mit hervorragender Arbeitsmarktpolitik und einem unionsgefertigten Wirtschaftsaufschwung

von ULRIKE WINKELMANN

Die Union will, so sie die Wahl gewinnt, die Lohnnebenkosten von derzeit 41,3 Prozent auf weniger als 40 Prozent senken. Wem das bekannt vorkommt: Ja, Schröder ist 1998 mit dem gleichen Ziel angetreten. Doch während sich Rot-Grün die Rentenkasse vornahm, setzt die Union bei der Arbeitslosenversicherung an: Die liegt derzeit bei 6,5 Prozent und soll um mindestens einen Prozentpunkt verringert werden. Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sollen „stabilisiert werden“, so Kanzlerkandidat Edmund Stoiber gestern.

Stoiber und CDU-Parteichefin Angela Merkel stellten nicht nur ein „wichtiges Eckpunktepapier“ zur sozialen Sicherung, sondern auch den Mann offiziell vor, der das Konzept mit Kompetenz ausfüllen soll: den CSU-Vize und Exgesundheitsminister Horst Seehofer. Nein, „Schattenminister“ für Soziales könne man Seehofer nicht nennen, erklärte Stoiber. „Wir brauchen ja auch Koalitionspartner“, sagte er in Richtung FDP. Allerdings sei Seehofer seiner Ansicht nach der Einzige, der mit dem notwendigen „breiten Kreuz“ für die „Herkulesufgabe“ ausgerüstet sei, das Sozialwesen neu zu ordnen.

Nach dem Motto „Sozial ist, was Arbeit schafft“ will die Union im Wesentlichen die aus der Hartz-Kommission bekannten Vorschläge umsetzen: Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Job-Center, Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln und so weiter – und natürlich der Kombi-Lohn. Hoffnung beziehungsweise Behauptung ist, dass sich allein dadurch, dass sich die Zeit der Arbeitslosigkeit reduziere, der besagte Prozentpunkt in der Versicherung einsparen lasse – nicht, indem man das Arbeitslosengeld kürze.

Im Gesundheitswesen, Seehofers ureigenem Terrain, will die Union sämtliche Budgets abschaffen: Die Ausgaben für Ärzte und Krankenhäuser sollen nicht mehr staatlich gedeckelt werden. Um die Kassenbeiträge, derzeit bei 14 Prozent, gleichwohl nicht ansteigen zu lassen, will Seehofer die Versicherten zum Sparen animieren: Er will wählbare Selbstbehalte und Selbstbeteiligungen einführen.

Das heißt, dass sich die Versicherten ihre Kassenleistungen teilweise aussuchen und durch bestimmte Eigenleistungen oder Einschränkungen niedrigere Beiträge einhandeln können. Vorbild ist hier vor allem die Schweiz. Hier zahlen Versicherte eine Kombination aus pauschalem Grundbeitrag, einem Kostenanteil pro Behandlung und einer Art Teilkasko-Selbstbeteiligung. Die Belastungen für die Patienten sind in der Schweiz übrigens derart hoch, dass die Schweizer Sozialdemokraten seit Jahren dagegen Sturm laufen.

In der Rentenpolitik will die Union die Riester-Rente modifizieren: Ein privater Vorsorgevertrag soll nur noch zwei statt bislang elf Kriterien genügen: Eine Privatrente wird erst ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt, und die „Höhe der eingezahlten Beiträge soll zu Beginn der Auszahlungsphase garantiert werden“. Wohneigentum soll als Altersvorsorge anerkannt werden.