1 toter Terrorist – 9 tote Kinder

Bei israelischem Anschlag auf den Militärchef der Hamas in Gaza sterben insgesamt 15 Menschen. EU, USA und UNO üben scharfe Kritik an Raketenbeschuss. Fischer: „Entsetzt über Eskalation“

JERUSALEM taz ■ Statt diplomatischer Floskeln waren diesmal klare Worte zu vernehmen: Als in „keiner Weise zu rechtfertigen“ bezeichnete ein Sprecher der EU-Kommission den Luftangriff der israelischen Armee auf palästinensisches Wohngebiet, bei dem in der Nacht zum Dienstag 15 Menschen getötet und über 100 verletzt wurden. Nicht hinnehmbar, hieß es auch im Bundesaußenministerium. Joschka Fischer sei „entsetzt über die jüngste Eskalation der Gewalt“. Dänemarks Außenminister und EU-Ratspräsident Per Stig Møller bezeichnete den Angriff laut der Nachrichtenagentur Ritzau als „total inakzeptabel“. UN-Generalsekretär Kofi Annan erinnerte Israel „an die rechtliche und moralische Verantwortung“, den Tod Unschuldiger zu vermeiden. Auch Israels treuester Verbündeter, die USA, übten deutliche Kritik: Der Angriff sei „grobschlächtig“, er werde auch nicht zum Frieden in Nahost beitragen.

Als einen „großen Erfolg“ bezeichnete hingegen Israels Premierminister Ariel Scharon die Ermordung von Scheich Salah Schehada, dem von Israel meistgesuchten Mann im Autonomiegebiet. Die Tatsache, dass bei dem Luftangriff neun Kinder ums Leben gekommen sind, bedauerte er. Sein Bedauern äußerte auch das israelische Verteidigungsministerium. Aufgrund von Informationen des Militärgeheimdienstes sei man jedoch davon ausgegangen, dass sich bei dem Angriff auf das Haus von Schehada keine Zivilisten in der Nähe befinden würden.

Mehr als 250.000 Menschen nahmen an der Beisetzung der Opfer des Luftangriffes nach Angaben der Agentur dpa teil. Maskierte Aktivisten trugen Schnellfeuergewehre, Handgranaten und Panzerfäuste, feuerten in die Luft und skandierten „Tod Israel, Tod Amerika“.

Palästinenserchef Jassir Arafat erklärte dem arabischen Knesset-Abgeordneten Taleb al-Sana, der Anschlag habe eine bevorstehende Einigung zwischen der Autonomiebehörde und den islamischen Oppositionsgruppen über die Einstellung des Terrors verhindert.

Schehada war Kommandant des militärischen Hamas-Flügels Az al-Din al-Kassam. Er galt als Vertrauter des geistlichen Hamas-Führers Scheich Ahmed Jassin. Am Tag vor dem Attentat hatte Jassin gegenüber al-Dschasira einen temporären Waffenstillstand in Aussicht gestellt, vorausgesetzt, Israel ziehe sich aus dem Autonomiegebiet zurück. Israels Oppositionsführer Jossi Sarid kritisierte den Zeitpunkt des Anschlags: Die Regierung sei „offensichtlich nicht an einer Beruhigung interessiert“. SUSANNE KNAUL

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