Ein Münchner in der Metropole

Edmund Stoiber nebst Gattin lässt sich Hamburg nebst Hafen zeigen. Der Möchtegern-Kanzler findet alles toll, schüttelt Hände und stellt fest, „dass Hamburg eine großartige Stadt ist“

„Unsere Generation hält viel von Ihnen. Aber Schröder kommt auch noch, und der ist bestimmt auch nett.“

von SANDRA WILSDORF

Wenn Politiker in der Sommerpause Urlaub in Deutschland machen, wenn sie dabei statt im Meer in der Menge baden und lieber unter Dächern aus Mikrofonen schreiten als unter Sonnenschirmen liegen, dann ist die Wahl nicht weit. Und weil die Bundestagswahl immer näher kommt, kam gestern Edmund Stoiber auf seiner Kreuz-und-quer-durch-Deutschland-Tour für einen Tag nach Hamburg.

Gegen 10 Uhr hält ein Bus an den Landungsbrücken, von dem flächen- und fensterdeckend der Möchtegern-Kanzler der Union herunterlächelt. Da wo sein Mund ist, öffnet sich die Tür, und nach etwa zwei Dutzend Sicherheits-, Wahlkampf-, Medienberatern, Wächtern und Sprechern steigen auch Edmund Stoiber und seine Frau Karin heraus – er in dunkelblau und sie in schwarz.

Auf einer Barkasse von Kapitän Heinrich Prüsse geht es durch die Speicherstadt zu Eurogate, noch vor halb elf wird der erste Weißwein durchgereicht. Herr Stoiber legt den Arm um Frau Stoiber, und die beiden lächeln, lächeln und lächeln in die Kameras dieses Landes. Passagiere vorbeifahrender Barkassen vermuten, dass sich unter so vielen Puschelmikrofonen jemand Wichtiges verbergen muss. Eine Barkasse taucht allerdings immer wieder auf. Sie ist voll mit Jugendlichen. „Bayern, Bayern, Bayern“ rufen sie. Stoibers Wahlkampfberater Michael Spreng begeistert sich, „das sind sie, unsere Jungwähler“, und fügt stolz hinzu, dass infratest-dimap erst gestern herausgefunden habe, dass 55 Prozent der 18 bis 24-Jährigen die Union wählen wollen.

Hamburgs CDU-Chef Dirk Fischer, Wirtschaftssenator Gunnar Uldall und die Abgeordnete und Mittelstandsexpertin Barbara Ahrons weisen die Stoibers „in die Geheimnisse des Hamburger Hafens ein“ und genießen die mediale Aufmerksamkeit. Sie strahlen, das hätte Bürgermeister Ole von Beust nicht besser gemacht. Der konnte aber gestern nicht, der macht gerade Urlaub auf Sylt.

Etwas schüchtern versucht der Altonaer Bundestagskandidat Marcus Weinberg immer mal wieder ins Bild zu kommen. Uldall schwärmt derweil begeistert, dass sich der Umschlag des Hamburger Hafens in den vergangenen Jahren verdoppelt habe und zeigt Stoiber, wo „2012 Olympia stattfinden wird“. Kapitän Prüsse zeigt Gattin Karin auf einer Karte den Hafen, inklusive „Ausdehnungsmöglichkeiten“, Hafencity und Musicaltheater.

Bei Eurogate sprechen Stoibers mit Arbeitern über das „Brückefahren“ und die Arbeit im Hafen. Die Journalisten werden mit rotweißem Plastikband auf Abstand gehalten. Stoiber sagt immer wieder „Wahnsinn“ und „irre interessant“, er nennt Hamburg eine „große und großartige Stadt“. Zwischendurch klagt er über die rot-grüne Steuerreform, verspricht, im Falle eines Wahlsieges die Steuern keinesfalls zu erhöhen und erklärt Ronald Schill für ungefährlich. „Denn anders als Hamburg unter Voscherau und Runde hat die Union kein Problem mit der inneren Sicherheit.“

Nach dem Hafen kommt der Rathausmarkt. Dort zeigt Uldall Stoiber „unser schönes Rathaus“ und verlangt: „Gucken Sie doch mal auf unsere schönen Alsterarkaden.“ Ein Radio-Hamburg-Moderator kommt mit Blaskapelle, die „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ auf bayerisch spielt. „Ihr habt die größeren Biergärten, aber wir haben die größeren Mega-Hits, oder?“, will er von Stoiber wissen. „Äh, Mega-Hits, ja sicher“, sagt der.

„Wir drücken die Daumen“, „Sie müssen Kanzler werden“ und „Beenden Sie den rot-grünen Spuk“ wünschen sich die Menschen, mit denen Stoiber ins Gespräch kommt, von denen jedoch kaum einer Hamburger ist. Dresden, Leipzig, Hildesheim und Bergzabern, „jeder Zweite ist ja hier Tourist“, stellt Stoiber fest und sieht darin den Beweis, „dass Hamburg eine echte Metropole ist“.

Während die Politiker umringt von Sicherheitsleuten und Kameras ihre Runde über den Rathausmarkt drehen, rufen ein paar Demonstranten: „Hoch die internationale Solidarität.“ Die Polizei durchsucht ihre Rucksäcke. Am Ende schreitet Stoiber den Jungfernstieg ab und will noch mal das Wasser sehen. Da aber haben sich Tierschützer von „Vier Pfoten“ als Enten verkleidet und klagen die „katastrophalen Zustände in bayerischen Entenmastbetrieben“ an.

Stoiber greift sich noch ein paar Hände aus der Menge und versucht, mit deren Besitzern ins Gespräch zu kommen. „Wie lange sind sie schon in Hamburg?“, will er wissen oder: „Haben Sie denn zwischen Hamburg und Dresden Unterschiede im Lebensstil festgestellt?“ Die Leuten mögen das Gefühl, dass er sich für sie interessiert. Die Menschen, deren Hände er geschüttelt hat, sind überwiegend beeeindruckt von dem Unionskandiaten: „Sympathisch“ oder „herzlich“ sei er, ja sogar Ehrlichkeit und Echtheit strahle er aus.

„Unsere Generation hält viel von Ihnen“, raunt ein älterer Herr dem Bayern zu. Ob er ihn auch wählen will, weiß er aber noch nicht: „Schröder kommt ja auch noch, und der ist bestimmt auch nett.“