Zauberformel Individualität

In 390 DFB-Talentzentren sollen bundesweit 22.000 Nachwuchskicker geschult werden

BERLIN taz ■ Der erfolgreiche Auftritt bei der WM in Japan und Südkorea hat nicht nur das ramponierte Image des deutschen Fußballs aufpoliert, sondern hierzulande auch eine riesen Euphoriewelle rund um die Völler-Truppe losgetreten. Zwischen Flensburg und Passau traut man sich wieder im DFB-Dress auf die Straße, wollen Jungen wie Mädchen den Kahns oder Ballacks nacheifern. Eine erfreuliche Entwicklung. „Aber kein Anlass, sich zurückzulehnen“, glaubt Gerhard Mayer-Vorfelder. Der DFB-Präsident sieht in der Begeisterung vielmehr eine zusätzliche Chance für das neue Talentförderungsprogramm, das mit Beginn der nächsten Bundesligasaison startet. In 390 Talentzentren, die flächendeckend über die Republik verteilt sind, sollen dann die Hoffnungsträger künftiger WM-Turniere reifen.

Rund 10 Millionen Euro jährlich wird der Deutsche Fußball-Bund in das zeitlich unbefristete Projekt investieren. Geld, durch das die Arbeit von 29 hauptamtlichen Stützpunktkoordinatoren und 1.170 Honorartrainern Früchte tragen soll. Eingebunden sind auch ehemalige Profis wie etwa Bertram Beierlorzer (Bayern, Stuttgart), Armin Eck (Bayern, HSV, Bielefeld) oder Norbert Janzon (Bayern, Schalke). Zusätzlich zum Vereinstraining bitten sie einmal wöchentlich die größten Talente der jeweiligen Kreise zur Sonderschicht. Der Fokus ist vor allem auf die technische und taktische Schulung der 11- bis 17-Jährigen gerichtet. Die Zauberformel heißt Individualität. „Anders als im Verein haben die Trainer in den Stützpunkten nämlich genügend Zeit, sich mit jedem einzelnen Spieler zu beschäftigen“, sagt der sportliche Leiter Jörg Daniel. In den Genuss des Angebots kommen jährlich rund 22.000 Nachwuchskicker. Die Alterseinteilung ist bewusst gewählt, erklärt DFB-Teamchef Rudi Völler: „Die Kinder und Jugendlichen werden in einem Alter geschult, in dem sie am schnellsten lernen.“

Neben dem Trainer-Service, den Schulkooperationen und den Juniorennationalteams gibt es somit einen vierten Stützpfeiler in der DFB-Nachwuchsarbeit. Als Stolperstein erweist sich allerdings oftmals der Übergang zu den Senioren. Viele junge, ambitionierte Spieler sind dem rauen Wind der Profis nicht gewachsen, müssen im Kampf um einen Stammplatz der erfahrenen Konkurrenz den Vortritt lassen. Folge: Frust statt Lust, Stagnation statt Perfektion. „Genau dann, wenn es am wichtigsten wäre, werden unsere Talente im Stich gelassen“, bemängelt der frühere U 21-Trainer Hannes Löhr. Ein Missstand, den sein Nachfolger Jürgen Kohler beheben will: „Das steht ganz oben auf meiner Prioritätenliste.“ Schlüssel zum Erfolg ist für den 36-Jährigen die Kommunikation. Nur ein ständiger Dialog zwischen Verbands- und Vereinsvertretern, meint Kohler, könne die Probleme beheben und zu einer fruchtbaren Partnerschaft führen. Seitens der Bundesligavereine dürften nicht zuletzt die Kirch-Krise und die aus ihr resultierenden Mindereinnahmen für Interesse sorgen. Denn, so Kohler: „Durch die wirtschaftlich schwierige Situation müssen die Vereine verstärkt auf junge Spieler zurückgreifen.“

THOMAS PLÜNNECKE