Die Rückkkehr der Franzi

Ein schnelles Rennen bei den deutschen Meisterschaften genügte. Bei der gestern an der Landsberger Allee begonnenen Schwimm-EM ist die Berlinerin Franziska van Almsick Everybody's Darling

von MARKUS VÖLKER

Sie soll die Finger davon lassen, hat ihr die Managerin aufgetragen. Keine Zeitungen. Vor allem nicht die handlichen, bunten Formate. Sie soll sich auf keinen Fall aus der Ruhe bringen lassen von markigen Schlagzeilen und gepushten Erwartungen, diesen Ratschlag gab ihr Regine Eichhorn mit ins Vorbereitungscamp. In Potsdam verbringt van Almsick die letzten Tage, bevor im Berliner Schwimm- und Sprungpark die Europameisterschaften für sie beginnen. Dabei sind die Blätter voll mit Positivmeldungen über Franziska von Almsick, nicht mehr von einer „bleiernen Ente“ (Bunte) oder von „Franzi van Speck“ (B.Z.).

Vielmehr wird ihr Comeback gefeiert. Sie schwimmt also doch wieder schnell, die Franzi, wer hätte das gedacht. Die Zicke vollzieht in den Medien eine wundersame Wandlung zur koketten Ostlerin, ihre Schnoddrigkeit wird nicht mehr krumm genommen, sondern als Authentizität ausgelegt. Van Almsick darf wieder Everybody's Darling sein.

Eine schnelle Zeit hat gereicht. Bei den deutschen Meisterschaften schwamm die 24-Jährige vor ein paar Wochen die 200 Meter Freistil in 1:57,74 Minuten. So schnell wie seit sieben Jahren nicht mehr. Ihr eigener Weltrekord über diese Strecke liegt bei 1:56,78 und datiert aus einer fernen Zeit: Barcelona 1992. Damals gewann sie zweimal Silber und zweimal Bronze. Als 14-Jährige. In Atlanta vier Jahre später holte sie zweimal Silber und einmal Bronze. Das wurde ihr als Versagen ausgelegt. Nach Sydney hagelte es nur noch harsche Kritik.

„Sie ist für Dinge kritisiert worden, die waren eine Unverschämtheit“, sagt Managerin Eichhorn, „dass sie etwa zu viel essen würde und Übergewicht hätte.“ Missverstanden habe sie sich gefühlt. Verfolgt und in die Enge getrieben. Warum der Knoten nun durchschlagen wurde, hat van Almsick versucht zu erklären: „Ich puzzle seit zehn, fünfzehn Jahren. Jetzt habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass das Puzzle richtig passt.“ Trainer, Trainingsgruppe, Familie, Freund und Gesundheit – alles fügt sich offenbar zu einem Bild. „Vor allem ist sie über ein ganzes Jahr mal gesund geblieben“, sagt Eichhorn. Es kam zuletzt immer etwas dazwischen. Eine gebrochene Hand nach einem Motorradunfall. Eine knarzende Bandscheibe. Vereiterte Mandeln.

Das Potenzial zur Großtat schlummert in ihr wie in Jan Ullrich, dem radelnden Talentvergeuder. Ihre Konkurrentinnen wussten, dass ihr die Rückkehr gelingen kann. Sandra Völker sagt vor der EM: „Grundsätzlich traue ich ihr immer sehr viel zu, weil sie ein Talent hat. Sie hat es eben nur ein bisschen schleifen lassen.“ In Berlin soll der deutsche Rekord über 100 Meter Schmetterling (59,00 Sekunden) fallen. Über 200 Meter Kraul kann van Almsick in Weltrekordnähe kommen. Sie ist freilich nervös: „Wenn ich weiß, wer da alles da ist, krieg ich ’ne Krise. Ich hab ein bisschen die Hose voll.“