Ziviler Widerstand beeindruckt die Farc

Eine Indígena-Gemeinschaft rettet Polizisten. Der Krieg droht die sozialen Bewegungen Kolumbiens zu erdrücken

PORTO ALEGRE taz ■ Es war eine jener Attacken, wie sie die Farc schon dutzendfach praktiziert hat: Am helllichten Tag dringen hunderte kolumbianischer Guerilleros in eine abgelegene Kleinstadt ein. Dort nehmen sie die Polizeistation und die Sparkassenfiliale mit Maschinengewehren und selbst gebastelten Gaszylindern unter Beschuss. Anschließend bleiben verwüstete Straßenzüge, häufig auch getötete Polizisten und Zivilisten zurück.

Letzte Woche traf es die Indígena-Gemeinde Toribío in der südwestkolumbianischen Provinz Cauca. Am Mittwoch hatten dort 8.000 Menschen gegen die Bedrohung ihres Bürgermeisters durch die Farc demonstriert. Die Antwort der Guerilleros ließ nicht lange auf sich warten: Am Donnerstagnachmittag rückte deren Eliteeinheit „Jacobo Arenas“ in Toribío ein. Das Gefecht mit den Polizisten in der zentralen Andenkordillere hielt die ganze Nacht über an, zwischendurch nahmen Armeehubschrauber die Angreifer unter Beschuss.

Am Freitagmorgen hatten die 14 Polizisten ihre Munition verschossen und gaben auf. Daraufhin wagten sich dutzende von Bürgern mit weißen Tüchern aus ihren Häusern. Die Sprecher der Indígenas mit ihren traditionellen „Befehlsstäben“ und der Gemeindepfarrer baten die Rebellen um Gnade für die Polizisten. Nach kurzer Beratung sagte „Comandante Christian“ voller Anerkennung über seine Gegner: „Das sind ganze Kerle“ – und übergab die Polizisten der Gemeinschaft. Noch vor dem Eintreffen der Armee auf dem Landweg zogen sich die Farc-Kämpfer in aller Ruhe zurück.

Trotz der Geste des Farc-Kommandanten sind die Beziehungen zwischen den indigenen Gemeinschaften in Cauca und der Guerilla nachhaltig zerrüttet. Die starke Organisation der Paéz, Guambianos und Yanaconas stellt seit Jahren ein Ärgernis für die Farc dar. Die Gemeinde Toribío ist ein Symbol für die Autonomiebestrebungen der Indianer: Dort hatten sie 1971 den „Regionalen Indígena-Rat Caucas“ (Cric) gegründet, die wichtigste Organisation ihrer Art in Kolumbien. Seither erlangten sie in einem zähen Kampf gegen die lokalen Großgrundbesitzer einen Großteil ihres Landes zurück, das sie nun kollektiv bewirtschaften.

Die Gouverneurswahl im Oktober 2000 gewann der indigen geprägte „Alternative Sozialblock“ gegen das Parteienestablishment. Nun wird die Provinz Cauca von Floro Tunubalá regiert, der sich gegen die Militarisierung durch den „Plan Colombia“, den Vormarsch der Paramilitärs und die Guerilla gleichermaßen zur Wehr setzt. Doch der Krieg lässt ihm keinen Spielraum für basisorientierte Politik.

Fast alle Bürgermeister der Provinz haben ihre Gemeinden verlassen. Selbst nach dem Angriff der Farc, bei dem der zehnjährige William Achicué getötet wurde, halten die Indígena-Gemeinschaften von Toribío, Jambaló und Silvia am „zivilen Widerstand“ gegen alle bewaffneten Gruppen fest. „Auf keinen Fall werden wir unsere Bürgermeister allein lassen“, sagte Camilo Ulcué Castro aus Jambaló nach einer Versammlung der indigenen Gemeinschaften von Nord- und Ostcauca am Wochenende. Vom Cric kam unterdessen der Hilferuf nach „internationaler Präsenz“. GERHARD DILGER