Plötzlich haben alle den Rudi lieb

Bei der Sondersitzung zur Vereidigung des neuen Verteidigungsministers finden die Redner der Koalition nur nette Worte für den gefeuerten Rudolf Scharping. Union und FDP zählen dagegen schon die Tage, bis einer der Ihren den Amtseid leisten darf

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

„So wahr mir Gott helfe.“ Jetzt ist Peter Struck ordentlich vereidigter Verteidigungsminister. Die weitere Sondersitzung des Bundestages, für welche die Abgeordneten aus der Sommerpause in den Reichstag zurückgekehrt waren, verlief einfach, aber nicht ohne Reiz: Auf Strucks Regierungserklärung folgte eine Parlamentsdebatte, die sich nur oberflächlich um die Bundeswehr drehte. Die Fantasie der Redner schien vielmehr von der Frage in Anspruch genommen, ob in Struck zum letzten Mal ein Minister der rot-grünen Koalition sein Amt antritt.

„Auch wenn’s nur für zwei Monate ist, wünschen wir Ihnen eine gute Hand“, eröffnete CDU-Veteran Wolfgang Schäuble namens der Opposition seine Erwiderung auf Struck. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt schlug in dieselbe Kerbe: „Die Wünsche für Erfolg gelten hier bis zum 22. September“ – und die Zeit bis zur Bundestagswahl werde wohl kaum ausreichen, damit Struck auch nur die Dienstgrade der Bundeswehr erlerne. Der ungediente Minister hatte mit Spott schon gerechnet. „Ich versichere Ihnen, ich tue alles dafür, dass meine Amtszeit sehr lange dauern wird“, sagte Struck in seiner Rede. Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, wonach der Minister sich eine Rückkehr zum Job des SPD-Fraktionsvorsitzenden ausbedungen habe. Allerdings machte auch der gestern gewählte Fraktionschef Ludwig Stiegler deutlich, dass er sein Amt nicht nur übergangsweise ausfüllen will. Stiegler erhielt 191 Jastimmen bei 22 Neinstimmen und sechs Enthaltungen.

Struck sagte in seiner Regierungserklärung eine bessere Information des Parlamentes über deutsche Einsätze im Ausland zu, ansonsten enhielt er sich aller Neuigkeiten. Schäuble, der in Edmund Stoibers Kompetenzteam für Außen- und Sicherheitsfragen zuständig ist, warf ihm denn auch vor, kein Wort über die drei Rüstungsprojekte verloren zu haben, die im Rahmen der Haushaltsberatungen noch vor der Wahl relevant sind: die Finanzierung des Transportflugzeugs A 400 M, die Entscheidung über einen neuen Schützenpanzer sowie das Raketensystem Meteor.

Von Struck und allen Rednern der Koalition waren dafür regelrechte Ruhmesworte über den abwesenden Exminister Scharping zu hören. Es blieb PDS-Fraktionschef Roland Claus überlassen, an den Anlass der Sondersitzung zu erinnern. Sonst wollte keiner den Namen Hunzinger in den Mund nehmen.