Das Wunder vom Wedding

Der Berliner Pharmakonzern legt erneut eine positive Halbjahresbilanz vor. Der Weddinger Global Player steigerte seinen weltweiten Umsatz um 5 Prozent. Gewinn legt um 9 Prozent zu

von RICHARD ROTHER

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten in der Berliner Wirtschaft. Der Weddinger Pharmakonzern Schering legte gestern seine Halbjahresbilanz vor. Und die ist durchaus positiv, obwohl dem Unternehmen der starke Euro zu schaffen macht. Immerhin mehr als die Hälfte seines Umsatzes erzielt Schering außerhalb Europas – ein starker Euro verteuert die Exporte und erschwert somit den Absatz.

Schering steigerte seinen Umsatz im ersten Halbjahr weltweit umd 5 Prozent auf mehr als 2,5 Milliarden Euro. Beim operativen Gewinn legte das Unternehmen um 9 Prozent auf 398 Millionen Euro zu. Vorstandschef Hubertus Erlen sagte, im zweiten Quartal dieses Jahres hätten Schering die Wechselkurse zu schaffen gemacht. Sowohl der Dollar als auch der Yen gaben in den vergangenen Monaten gegenüber dem Euro stark nach. Allerdings sichern sich global operierende Unternehemen gegen Wechselkursschwankungen ab. Produktionsstätten vor Ort mindern zusätzlich das Wechselkursrisiko. Und vor einiger Zeit profitierte Schering noch deutlich vom schwachen Euro.

Die Prognosen für das Gesamtjahr ließ Schering-Chef Erlen trotz Kursrisiken gestern unverändert. Der Umsatz soll kursbereinigt im hohen einstelligen Bereich wachsen, der Gewinn zweistellig. „Mit unserer Wachstumsstrategie kommen wir gut voran“, versicherte Erlen. Schering stellt bereits im sechsten Jahr hintereinander Rekorde auf.

Das Erfolgsgeheimnis der Weddinger, die in der ganzen Welt agieren: sich auf einige Spezialmärkte konzentireren und den Rest mehr oder weniger links liegen lassen. Schering ist unter anderem führend bei Hormonpräparaten wie Verhütungsmitteln, bei den Diagnostika und bei den Spezialtherapeutika. Die Märkte sind relativ überschaubar, und Schering kann hier aufgrund seiner guten Position überdurchschnittlich vom Wachstum profitieren. Zur Konzentration auf spezielle Märkte gehört auch, gezielt kleinere Firmen oder Entwicklungen anderer Pharmafirmen aufzukaufen – eine Strategie, die Schering durchaus erfolgreich betreibt, zumal die Kriegskasse des Konzerns gefüllt ist. Erst im Juli haben beispielsweise die Anteilseigner der US-Firma Collateral Therapeutics, die im Herz-Kreislauf-Medikamente-Bereich aktiv ist, der Übernahme ihres Unternehmens durch Schering zugestimmt. Weltweit arbeiten mittlerweile rund 25.000 Beschäftigte bei Schering, allein in Berlin sind es ungefähr 6.000.

Eine Ursache für den Erfolg ist auch der Versuch, zunehmend weiter auf dem US-Markt Fuß zu fassen. Rund 23 Prozent seines Umsatzes erwirtschaften die Weddinger hier, Tendenz steigend. Der US-Markt ist vor allem deshalb interessant, weil er nicht nur groß ist, sondern auch stark wächst und hohe Gewinnmargen verspricht. Die Amerikaner sind nämlich bereit, relativ viel Geld für Medikamente auszugeben. Zudem verdienen nicht wie in Deutschland die Apotheken mit. Ein Beispiel: Der Verkauf einer Packung eines Verhütungsmittels bringt in den USA viermal so viel wie in Deutschland. Im ersten Halbjahr hat Schering in den USA das neue Verhütungsmittel Yasmin eingeführt und damit rund 60 Millionen Euro Umsatz erzielt, im zweiten Halbjahr sollen es bereits 90 Millionen Euro sein.

Wichtigster Umsatzträger Scherings war auch im ersten Halbjahr dieses Jahres das Multiple-Sklerose-Präparat Betaferon. Allein mit diesem Mittel nahm Schering im ersten Halbjahr 388 Millionen Euro ein, ein Plus von 19 Prozent. Betaferon ist das einzige MS-Medikament, das bei Raumtemperatur gelagert werden kann, was den Patienten mehr Flexibilität im täglichen Leben ermöglicht. Die hohe Steigerungsrate bei Betaferon in den USA (plus 28 Prozent) ist allerdings zum Teil auf Einmaleffekte zurückzuführen – viele Großhändler hatten sich in diesem Halbjahr neu mit dem Produkt eingedeckt.

Die Analysten zeigten sich gestern überwiegend zufrieden. Isabella Zinck von der HypoVereinsbank sagte, die aktuellen Zahlen lägen im Rahmen ihrer Erwartungen. Das Multiple-Sklerose-Medikament Betaferon habe sich überraschend gut entwickelt. Analyst Andreas Theisen von der WestLB sprach trotz des geringeren Umsatzwachstums von guten Ergebnissen. „Wenn man hinter die Zahlen schaut, ist es ganz positiv“, so Theisen. „Das organische Wachstum des Konzerns ist stark.“