Tage der seelischen Grausamkeit

Weil sie so sehr an ihr Konzept geglaubt hatten, gingen Dina Ley und Joachim Dieter Schulz ein Risiko ein, das sie für keines hielten. Jetzt sind die Veranstalter der „Tage der seelischen Gesundheit“ ruiniert und kämpfen um Schadenersatz

Es sollte eine richtig große Sache werden: Drei Tage im Congress Centrum Hamburg (CCH) rund um die gesunde Psyche. Mit Themen wie Ritalin, verwaisten Eltern, Mobbing, Drogen, Ernährung und Gewalt. Wie organisiert man eine Familie stressfrei? Was macht Kinder stark und gesund, von der Empfängnis bis zur Pubertät? Antworten sollte es in Vorträgen für und von Experten geben, in selbstgedrehten Filmen, HipHop und Modenschauen: 22 Institutionen, Verbände und Vereine aus ganz Norddeutschland wollten sich Anfang Mai auf den „Tagen der seelischen Gesundheit“ präsentieren. Die Veranstalter der „GesundheitsInfothek“ rechneten mit etwa 5000 Besuchern. Es kamen nicht einmal 50.

Die GesundheitsInfothek, das sind Dina Ley und Joachim Dieter Schulz. Die Veranstaltung hat sie ruiniert. Weil sie so überzeugt waren von dem Konzept, haben sie persönlich das finanzielle Risiko getragen. Der Journalist und die Schauspielerin und Sozialtherapeutin, die seit Jahren den Psychiatrie-Kongress „Forum Rehabilitation“ mitgestalten, wollten in diesem Jahr etwas für die ganze Familie machen. Prävention ohne Zeigefinger, zum mitmachen statt zuhören. Nicht nur für Fachleute, sondern für alle, die es interessiert. Der größte Tag sollte der Familientag am Sonnabend werden. Doch die eingeladenen Moderatoren und Musiker standen vor leeren Rängen, die Vereine, die informieren wollten, hatten sich nur gegenseitig als Gesprächspartner, und die Jugendlichen, ihre Eltern und Lehrer, sie waren einfach nicht da. Und das eine Woche nach dem Amoklauf von Erfurt, und obwohl Sozialsenatorin und Schirmherrin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) kurz vorher noch für die Veranstaltung geworben hatte.

„In den ersten Tagen danach stand ich unter Schock, über die finanziellen Auswirkungen habe ich erstmal nicht nachgedacht“, sagt Dina Ley. Inzwischen sind die klar: Die Miete für das CCH deckt der Zuschuss ab, den die Stadt gegeben hat. Aber es bleiben Kosten für Gastronomie, Beleuchter, Druckerei, Technik, Musiker, Referenten, Werbung und Gehalt für die eigene Arbeit: Alles in allem 160.000 Euro.

Was Schulz und Ley konnten, haben sie bezahlt. Doch statt Lohn zu bekommen, sitzen sie nun auf einem großen Schuldenberg. 58.000 Euro sind sofort fällig, davon allein 25.000 Euro Kredit. „Die Bank wird langsam ungeduldig“, sagt Schulz.

Wie es sich so lebt? „Es ist frustierend“, sagt er und muss erst einmal verstehen, was da passiert ist. Denn immer wieder sagen Leute: „Wenn ich davon gewusst hätte, wäre ich gekommen.“ Sie loben das Konzept, und eine Schülerin aus Harburg, die da war, habe gesagt: „Ich fühle mich so gut aufgehoben.“ Die Katastrophe hat Schulz und Ley völlig unvorbereitet erwischt: „10.000 Mal wurde vorher auf die Internet-Seite geklickt, 6000 Leute haben sich das Anmeldeformular geladen“, sagt Schulz. Und: „Bei uns hat vorher dauernd das Telefon geklingelt.“ Eltern riefen an und fragten nach Kinderbetreuung, Lehrer wollten mit ihren Klassen kommen. Am Ende war keiner von ihnen da.

Inzwischen sind Ley und Schulz davon überzeugt, dass das am Vorverkauf lag. „Wir haben die Fehler am Anfang bei uns gesucht. Wir hätten vieles anders machen können, aber das erklärt nicht, warum niemand gekommen ist“, sagt Schulz.

Nur im Vorverkauf sollte es Karten geben. Mit dessen Organisation hatte die GesundheitsInfothek eine Kölner Agentur beauftragt. Mitte April stellte Dina Ley fest, dass bei einer Konzertkasse, zu der sie bereits etliche Anrufer geschickt hatte, die Veranstaltung gar nicht im Computer war. Offenbar wurden Interessenten mit dem Hinweis „findet nicht statt“ fortgeschickt.

Es stellte sich heraus: Die Kassen hatten die Veranstaltung nicht im Computer, einige erklärten, Flyer und Plakate entsorgt zu haben, weil sie damit nichts anzufangen wussten. Ab dem 22. April, also knapp zwei Wochen vor der Veranstaltung, sollte der Vorverkauf dann reibungslos funktionieren, sicherte die Kölner Agentur zu. Weil die Stadt inzwischen einen Zuschuss zugesagt hatte, konnten die Preise gesenkt werden, die Organisatoren hofften dadurch noch einmal Aufmerksamkeit zu erzielen. Trotzem berichtet eine Schülerin, dass sie noch Anfang Mai bei einer Vorverkaufskasse 15 Euro für die Schülerkarte zahlen sollte. Weil sie aber wusste, dass die inzwischen nur noch 7,50 kosten sollte, hat sie sie nicht gekauft – und ist nicht zur Veranstaltung gekommen.

Für Schulz und Ley ist das Ganze ein klarer Fall für die Haftpflichtversicherung. „Aber wir werden immer nur vertröstet“, sagt Dina Ley. „Und einen Anwalt können wir nicht beschäftigen, weil wir kein Geld mehr haben.“ An ihr Konzept glauben sie immer noch, „wir wollten es eigentlich als Serie in ganz Deutschland machen. Eigentlich müssten wir jetzt gleich die nächste Veranstaltung planen, aber wir können nicht mehr“, sagt Schulz. Dina Ley macht jetzt erst einmal eine dreimonatige Fortbildung zur Moderatorin. Die zahlt das Arbeitsamt. SANDRA WILSDORF