montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens
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Rapunzel, Rapunzel, wirf dein Haar aus dem Fenster – dieser berühmte, bekannte und oft verkannte Satz aus dem nicht minder berühmten, bekannten und oft verkannten Märchen „Zwerg Nase“ kam mir unlängst in den Sinn, als Rudolf Scharping gehen musste. Die Fernsehbilder aus seinem Büro berührten mich sehr: Scharping lächelt stur und scheu. Seine feinen Finger verirren sich im Faxgerät. Er beseitigt einen Papierstau. Dann greift er zur Marlboro, als er vom Gestern erzählt. Seine sonore Stimme füllt den Raum. Scharping lehnt sich zurück. Im Hintergrund ein Song seiner Lieblingsband Pur. Scharping summt mit: „Hör gut zu, du bist mein Glück …“ Eine Last ist von ihm gefallen. Und an dieser Stelle musste ich an das Rapunzel denken, das ihr Haar wegwirft wie eine Last, die auch Scharping so sehr drückte, dass er steif und starr durch die Welt stolzierte. Wird eines Tages auch eine Last von mir abfallen, wenn ich gehe? Darüber sollte ein jeder, persönlich und in aller Stille einmal nachdenken.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.