Ströbele: Grüne zu zahm

Nach der Hunzinger-Affäre kritisiert Christian Ströbele seine Partei. Grüne hätten nicht genug zur Bekämpfung der Korruption getan. Gläserner Abgeordneter gefordert. Der SPD geht das zu weit

BERLIN taz ■ Nach dem Rückzug des Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir klagt sein Fraktionskollege Christian Ströbele einen anderen Umgang seiner Partei mit den Nebentätigkeiten von Parlamentariern ein. Im Interview mit der taz fordert er, künftig alle Geschäftsverbindungen und Einkommen offen zu legen.

„Die grüne Parteispitze und auch die Fraktion waren bei der Bekämpfung von Abhängigkeiten und Korruption zu zahm“, kritisierte Ströbele. Gerade jetzt sollten die Grünen in dieser Frage vorangehen und „nicht nur öffentlich machen, was sie tun, sondern auch, wie viel Geld sie dafür bekommen“.

Bislang müssen Abgeordnete den Bundestagspräsidenten zwar über die Art und Höhe ihrer Nebeneinkünfte informieren, eine Veröffentlichung findet aber nicht statt. Der Vorschlag der rot-grünen Koalition zur Neuregelung, der noch im September verabschiedet werden soll, sieht nur eine vollständige Veröffentlichung der Nebeneinkünfte, nicht aber von deren Höhe vor.

Zu viel Offenheit will sich die SPD nicht leisten. Ludwig Stiegler, der neue SPD-Fraktionsvorsitzende, lehnt den so genannten gläsernen Abgeordneten ab. „Wir sind zwar für Transparenz bei allen Beziehungen“, sagte Stiegler dem Tagesspiegel, eine totale Offenlegung wolle man aber nicht. Viele Kollegen hätten Angst vor einer Neiddebatte. „Wenn alle Journalisten, Richter und Professoren alles offen legten, wären wir dazu bereit. Sonst nicht.“

Am Freitag war Cem Özdemir als innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion zurückgetreten, weil er nicht nur einen Privatkredit des PR-Beraters Moritz Hunzinger über 80.000 Mark aufgenommen, sondern auch dienstlich erworbene Bonusflugmeilen im Wert von mehreren tausend Euro privat genutzt hatte.

Führende Vertreter von Politik und Wirtschaft sind am Wochenende auf Distanz zu Hunzinger gegangen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Ich würde am liebsten ganz ohne die Hunzingers leben.“

Die SPD im hessischen Landtag will den PR-Mann vor den Schwarzgeld-Untersuchungsausschuss laden. Hunzinger soll nach der Sommerpause vor dem Ausschuss Auskunft darüber geben, warum er im Landtagswahlkampf 1998 ein Buch von Ministerpräsident Koch mit knapp 300.000 Mark sponserte.

SUSANNE AMANN

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