Fliegeralarm bei der PDS

Gregor Gysi kommt „Bild“ zuvor: „Ich habe Lufthansa-Bonusmeilen privat genutzt.“ Der Überflieger ist zerknirscht, bleibt aber Wirtschaftssenator. Politisches Berlin fürchtet weitere Flugenthüllungen

von ROBIN ALEXANDER

Ab Sonntag heulten die Sirenen. Redakteure der Bild-Zeitung hatten Nachrichten auf den Handy-Mailboxen von Gregor Gysis Sprecher und einem weiteren PDS-Medienarbeiter hinterlassen. Wie es denn stünde um die Lufthansa-Bonusmeilen, die der Berliner Wirtschaftssenator in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter angesammelt habe? Den Sozialisten war sofort klar, was so eine Anfrage in diesen Zeiten bedeutet: Fliegeralarm! Jetzt auch Gysi. Jetzt auch die bisher unbescholtene PDS.

Erst vor wenigen Tagen war der Grüne Cem Özdemir zurückgetreten, nachdem man ihm nachwies, auf als Bundestagsabgeordneter erworbene Bonusmeilen mit seiner Freundin nach Paris geflogen zu sein. Gysi urlaubt zur Zeit – gerade erst ist er von der französischen Atlantikküste in seine Datsche im Brandenburgischen zurückgekehrt. Seine Leute versuchten sofort, zu retten, was zu retten ist. Vergeblich: Bild kann die Vorwürfe mit Dokumenten belegen. Gysi hat in den Jahren 2000 und 2001 Flüge seiner Ehefrau und seiner Tochter über sein Bonusmeilen-Konto abgewickelt. Familie Gysi war innerhalb Deutschlands unterwegs, nur einmal reiste man nach Übersee: ins sozialistische Kuba. Dieser Flug wurde einmal storniert und umgebucht, ob er tatsächlich, wie Bild behauptet, auf Bonusmeilen ging, war gestern noch unklar.

Da eine Veröffentlichung nicht abzuwenden war, gingen die PDS-Medienarbeiter in die Offensive. Heute erscheint die Geschichte in Bild, gestern schon faxte Gysi an alle Redaktionen: Er habe sich „offensichtlich“ falsch verhalten. Er sei damals von seiner Fraktion falsch informiert worden. Dienstliche und private Bonusmeilen wurden auf das gleiche Konto gebucht. Den durch beide eingesparten Betrag wolle er nun amnesty international spenden.

Die Reaktionen auf die Gysi-Flüge fielen gestern zwiespältig aus. Die Angelegenheit ist für die PDS peinlich, da ihre Spitzenleute in den vergangenen Tagen versucht hatten, die PDS als saubere Alternative zu den anderen Parteien darzustellen. Jetzt müssen die Sozialisten mit Schlagzeilen wie „Flugaffäre erfasst PDS“ rechnen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ließ aus dem Urlaub mitteilen: „Das ist eine Angelegenheit aus seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter. Das hat Gysi entsprechend mit dem Bundestag zu klären.“ Auch der Regierende hat eine so genannte Senator Card – wie alle 688 Bundestagsabgeordneten. Privat nutze Wowereit jedoch nur Rabatte, die er auf seiner privaten Miles & More Card erwerbe. Der CDU-Fraktionschef Frank Steffel gab sich konziliant: Er wolle nicht den Rücktritt Gysis fordern, da man „mit Kanonen nicht auf Spatzen schießt“.

In der politischen Klasse Berlins herrscht große Unsicherheit. Viele Bundestagsabgeordnete wären ähnlich wie Gysi verfahren. Das „Leck“ – so heißt es vielerorts – könne nur bei der Lufthansa sein. Und Gysi? „Der ärgert sich maßlos“, sagt ein Vertrauter: „Nicht weil er unmorisch gehandelt hätte, sondern weil er als unclever dasteht. Und das mag er überhaupt nicht.“