vorlauf
: Der Nazi-Aufklärer

„37 Grad: Der Verräter“

(22.45 Uhr, ZDF)

Im Familienbetrieb der Doris Zutt, in dem sich Deutschnationale und NPD-Anhänger mit Nazi-Kitsch eindecken, ist er unerwünscht. Jörg Fischer ist ein Verräter. Broka Herrmanns Film über den ehemaligen Leitartikler der Deutschen Nationalzeitung kommt direkt zur Sache. Einst schrieb Fischer Hetzartikel gegen Asylanten, heute bekennt er: „Ich habe den Tätern die ideologische Begründung geliefert, die sie brauchten, um Häuser anzuzünden.“ Fischer, mittlerweile in der Antifa-Organisation „Exit“ aktiv, die Neonazis beim Ausstieg aus der Szene hilft, erzählt über seine braune Vergangenheit, rüde Sitten unter ehemaligen Kameraden, darüber, wie die geistigen Führer mit ihrem Fußvolk umspringen. Und über seinen Verführer aus der „Mitte der Gesellschaft“, einen vermeintlich braven Beamten beim Nürnberger Versorgungsamt, der – auch das ist in unserer Demokratie möglich – eifrig um Nachwuchs für die rechtsextreme Szene warb. Und zudem ausgerechnet Entschädigungsanträge ehemaliger KZ-Insassen bearbeitete.

„Der Verräter“ ist kein sozialpägogisch verfasster Heuler. Sondern ein politischer Film, der analytisch Ursachenforschung betreibt: Wie wird so einer, wie Jörg Fischer, intelligenter Kopf und eloquenter Redner, zum Rechtsradikalen? Und wie schafft er es aus der Szene auszusteigen? Fischer berichtet, dass er vom vierten Lebensjahr an getrimmt wurde, keine Gefühle zu zeigen. Obendrein habe er häufig zuschauen müssen, wie sein Vater die Mutter übel zurichtete.

Herrmann begleitet den Exneonazi dabei, wie er er vor Schulklassen menschenverachtende und autoritäre Strukturen der rechtsradikalen Szene aufzeigt, Fischer in der „Nazi-Abwehrkette“. Herrmann wirft einen – aus Fischers wissender Perspektive gesehenen – detailgenauen Blick hinter die Kulisse des braunen Terrors.

Sein Film pflegt aber auch leise, sensible Töne. Er zeigt das heute sehr zärtliche Mutter-Sohn-Verhältnis. Die Mutter, seit Jahren pflegebedürftig, habe er stets als „sicheren Hafen“ empfunden, sagt Fischer. Im Film wird das spürbar. Genauso wie die emotionale Beziehung zu seinem Lebensgefährten – seine Homosexualität lebt er jetzt offen. GITTA DÜPERTHAL