Powell gibt sich optimistisch

Die USA erhöhen den Druck für einen Dialog zwischen Indien und Pakistan. Der US-Außenminister sieht neue Chancen für friedliche Beilegung des Kaschmirkonflikts

DELHI taz ■ US-Außenminister Colin Powell hat am Ende seines Besuchs in Indien und Pakistan Zeichen einer Entspannung festgestellt. Die Region stehe nicht mehr am Rand eines Krieges, sagte er auf dem Weiterflug in die thailändische Hauptstadt Bangkok. Bereits zuvor hatte er in Islamabad geäußert, die Bedingungen für einen Dialog zwischen den verfeindeten Nachbarn könnten bereits im Herbst erfüllt sein.

Er spielte dabei auf die Wahlen an, die im Oktober in Pakistan wie im indischen Teil Kaschmirs anstehen. Die Parlamentswahlen in Pakistan werden ein Test für die Stabilität des Musharraf-Regimes und für dessen Entspannungspolitik mit Indien darstellen. Noch wichtiger wird der Wahlkampf in Kaschmir sein, bei dem die Autonomiefrage das zentrale Thema sein dürfte.

Powell begrüßte das indische Versprechen, dass die Landtagswahlen „frei und fair“ sein würden. Er wünschte sich aber im Vorfeld weitere vertrauensbildende Maßnahmen wie die Freilassung politischer Gefangener sowie die Zulassung internationaler Beobachtern. Er äußerte auch die Hoffnung, dass die Wahlen „inklusiv“ sein werden, womit die Beteiligung der „Hurriyat-Konferenz“ – ein Zusammenschluss von 23 separatistischen Parteien – gemeint ist.

Diese haben sich nach einem ersten Entgegenkommen wieder hinter eine Ablehnungsfront zurückgezogen, weil die Regierung in Delhi mit ihnen keinen Dialog aufgenommen hat. Indien lehnt internationale Beobachter ab, hat aber laut Außenamtssprecherin nichts dagegen, wenn Ausländer in ihrer persönlichen Eigenschaft den Wahlprozess verfolgen.

Gegenüber Pakistan äußerte der amerikanische Außenminister die Hoffnung, dass Islamabad das Einsickern von Militanten über die Waffenstillstandslinie vollständig unter Kontrolle bringen wird. Die Regierung in Delhi befürchtet, dass die Untergrundgruppen, die Indien jede Legitimität zur Durchführung von Wahlen in Kaschmir absprechen, die Wahl durch Attentate sabotieren wollen.

Der vorsichtige Optimismus Powells ist das Resultat des Drucks, den der Westen in den letzten Monaten auf die beiden Kontrahenten ausgeübt hat. Die jüngste Reise war bereits die dritte des US-Außenministers in die Region in den letzten zehn Monaten. Wie bei früheren Reisen folgte Powells Besuch direkt auf den seines britischen Amtskollegen Jack Straw vor einer Woche sowie auf den Javier Solanas von der Europäischen Union, der am Freitag und Samstag die beiden Hauptstädte besucht hatte.

Ein Sprecher des Außenministeriums in Washington charakterisierte die offensichtlich koordinierte Reisediplomatie als „kontiunierliches Engagement“. Ging es bei den ersten beiden Besuchsrunden darum, die benachbarten Atomstaaten von einem Krieg abzuhalten, wurde jetzt der Druck auf beide spürbar, das direkte Gespräch zu suchen.

Sowohl Straw wie Solana hatten in den beiden Hauptstädten sorgsam darauf geachtet, die beiden Kontrahenten nicht öffentlich vor den Kopf zu stoßen. Solana etwa wies jede Vermittlungsabsicht von sich und beteuerte, die EU wolle nur das Klima für direkte Kontakte verbessern.

Der Vertreter der amerikanischen Supermacht konnte es sich dagegen erlauben, die Dinge beim Namen zu nennen. Kaschmir stehe nun auf der internationalen Tagesordnung und Washington werde beiden Parteien seine „helfende Hand ausstrecken“, um sie zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. Bei Pressekonferenzen in Delhi und Islamabad erkannte Powell an, dass sich inzwischen beide Länder für eine Gesprächslösung in der Kaschmirfrage aussprächen. Beide müssten dazu aber weitere Entspannungsschritte unternehmen, um den Dialogprozess wieder aufzunehmen.

Bangkok ist für Powell die erste Station einer Reise durch sechs südostasiatische Staaten. Weitere Stationen sind Malaysia, Singapur, Brunei, Indonesien und die Philippinen.

BERNARD IMHASLY