Ein Straftäter schützt die Verfassung

Der vom Berliner LKA verhaftete Toni S. war nicht nur V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelte bereits gegen ihn wegen Propagandadelikten. Schon 1997 wurde S. erstmals einschlägig verurteilt

von HEIKE KLEFFNER

Die Affäre um den V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes und Neonaziladenbesitzer Toni S. weitet sich aus. Bei dem 27-Jährigen, der vor zehn Tagen gemeinsam mit dem ehemaligen Berliner Landesvorsitzenden der verbotenen FAP bei einem Neonazikonzert in Berlin festgenommen wurde, handelt es sich offenbar um einen Wiederholungstäter in Sachen rechtsextremer Propaganda. Nach Angaben der Berliner Justizpressesprecherin Ariane Faust wurde S. schon 1997 in Berlin wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt. Ein zweites Verfahren gegen den V-Mann wegen Verbreitung einschlägiger Propaganda ist seit über einem Jahr bei der Staatsanwaltschaft Cottbus anhängig.

Die dortigen Strafverfolger verdächtigen S., die zentrale Figur in einem Kreis von mehr als einem Dutzend Verdächtigen aus der rechtsextremen Musikszene zu sein. Anlass für die Cottbusser Ermittlungen soll auch der Vetrieb der Erstauflage der CD „Noten des Hasses“ des rechten Bandprojekts „White Aryan Rebels“ gewesen sein. Wegen deren zweiter Auflage ermittelt nun die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Toni S. und Bandsänger Lars Burmeister. Offenbar im Vertrauen auf seine Unantastbarkeit als V-Mann bot S. trotz laufender Ermittlungen weiter strafbewehrte Neonazimusik an: Zuletzt fanden sich im Juni in seinem Versandkatalog mehrere indiziierte CDs.

Die Richtlinien für die Führung von V-Männern sehen vor, dass die bezahlten Informanten weder schwere Straftaten begehen noch eine steuernde Funktion in einer einschlägigen Strukturen haben sollen. „Im Fall von Toni S. hat das brandenburgische Innenministerium versagt“, kritisiert Volker Ratzmann (Grüne). „Es gibt keinen strafrechtsfreien Raum für V-Leute.“ Auch die innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion in Potsdam, Kerstin Kaiser-Nicht, übte scharfe Kritik. Der Fall Toni S. sei ein „weiteres peinliches Kapitel in der Geschichte des brandenburgischen Verfassungsschutzes“, sagte sie in Anspielung auf das Debakel um den Neonazi-V-Mann Carsten Sz. alias „Piato“. Der war im Frühjahr 2000 ebenfalls aus Kreisen der Sicherheitsbehörden enttarnt worden, weil diese offenbar befürchtet hatten, dass „Piato“ ihnen beim Aufbau militanter Neonazistrukturen aus dem Ruder laufe. Auch mit Toni S. seien die Brandenburger Schlapphüte „beim Drahtseilakt zwischen Legalitätsprinzip und geheimdienstlicher Arbeit abgestürzt“, so Kaiser-Nicht.

Aus Sicht des Brandenburger Innenministeriums geht diese Kritik allerdings ins Leere. Brandenburgs Innenstaatssekretär Eike Lancelle sagte gestern, sein Ministerium habe das Ermittlungsverfahren gegen Toni S. durch die Staatsanwaltschaft Cottbus einleiten lassen, um auf diese Weise noch tiefer in die rechtsextreme Szene einzudringen. Über S. wollte man zu Hintermännern des rechten Musikbusiness gelangen. Durch die übereilten Aktionen Berlins sei dies nun nicht mehr möglich.

Nicht alle wollen sich mit dieser Erklärung aus dem brandenburgischen Innenministerium zufrieden geben. „Das klingt nach einer Entschuldigung, um eigenes Fehlverhalten zu kaschieren“, so Ratzmann. Außerdem würde so „die im Grundgesetz verankerte Trennung zwischen Strafverfolgern und Geheimdiensten ausgehebelt“.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat unterdessen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen eingeleitet, um herauszufinden, wer die Informationen über die V-Mann-Tätigkeit von Toni S. an die Medien lancierte. Ansonsten üben sich Berlin und Potsdam inzwischen in Schadensbegrenzung. Der Fall müsse „geklärt und geheilt werden“, so Brandenburgs Innenstaatssekretär Eike Lancelle.