Angefeindet, aber durchsetzungsfähig

Machtwechsel beim Medienkonzern Bertelsmann: Liz Mohn zieht offen die Fäden im Hintergrund

Liz Mohn ist eine der mächtigsten Frauen im deutschen Wirtschaftsleben, auch wenn sie nie ein Manageramt innehatte. Sie sitzt seit gut einem Jahr im Aufsichtsrat von Bertelsmann und wird künftig die Vorsitzende des alles bestimmenden Verwaltungsrats der Stiftung. Neben ihrem gesundheitlich schwer angeschlagenen Mann Reinhard ist sie damit die wichtigste Figur in Deutschlands größtem Medienkonzern. Frauen schafften es hierzulande ja noch nicht, einen Konzern als Vorstandsvorsitzende zu leiten – sie waren Erbinnen etwa aus der BMW-Familie Quandt oder eben Ehefrauen wie Friede Springer.

Die meisten Anekdoten über die heute 61-jährige Mohn erfüllen den Tatbestand der üblen Nachrede. Und sie stammen meist von Leuten, die sie entweder beneiden oder aber als egostarke Männer in ihrem Schatten arbeiten mussten. Die Anekdote, mit der alles anfing, erzählt sie allerdings selbst – in ihrem Buch mit dem schönen Namen „Liebe öffnet Herzen“: Als 18-jährige Assistentin habe sie bei einem Betriebsfest den 20 Jahre älteren, verheirateten Firmenchef kennen gelernt. Man spielte „Reise nach Jerusalem“ und trotz aller Widrigkeiten im konservativen Westfalen wurde alles gut. Glückliche Fünfzigerjahre.

Die Geschichten aus späterer Zeit waren schon weniger gefällig. Wer es sich mit ihr verscherzt, der bleibt nicht lange, so eine Konzernweisheit. In den Achtzigern wurde der damalige Vorstandschef Fischer angeblich nicht wegen seiner mangelnden Führungsqualitäten entlassen, sondern weil er immer auf Liz Mohns Parkplatz seine Limousine abstellte. Und weil seine Frau öffentlich die von Mohn eigens ausgesuchten schwarzen Badezimmerfliesen in der Vorstandsvilla kritisierte.

Middelhoff zog weise mit seinen vielen Kindern nicht ins Gütersloher Vorstandsheim, sondern ins nahe Bielefeld. Für Bertelsmann-Verhältnisse war er ein jugendlicher Charmeur. Er schien deshalb immun gegen Liz-Ärger. In diesem Jahr dann doch ein böser Fauxpas: Just an dem Tag, als Mohn eine ihrer traditionellen Wohltätigkeitsveranstaltungen in Gütersloh inszenierte, wurde bekannt, dass die Stadt herbe Gewerbesteuerausfälle hat. Obwohl der Weltkonzern Bertelsmann prächtig verdiente, forderten Middelhoffs Mannen 15 Millionen Euro von der Stadt zurück. So etwas stört die beste Beziehung. Mancher Konzern-Widersacher witterte Morgenluft.

Middelhoff wurde am Sonntag offiziell geschasst, aber nicht wegen solcher Petitessen. Außenstehende sahen Mohn einfach die Initiative ergreifen, weil ihr Mann nach Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit im Hintergrund gesundheitlich zu angeschlagen war, um die drohende Krise bei Bertelsmann abzuwenden. Nicht nur, dass Middelhof durch einsame Entscheidungen die Vorstandskollegen und den Aufsichtsrat immer mehr verstörte. Auch die Gewinnentwicklung in wichtigen Bereichen blieb deutlich hinter den Versprechungen. Deshalb eröffnete ihm Liz Mohn angeblich schon am Donnerstagabend: „Thomas, es geht nicht mehr.“

Mit ihrem neuen Bertelsmann-Amt wird Mohn nun weniger Zeit haben für eines ihrer großen Anliegen, die von ihr gegründete und mit Finanzmitteln ausgestattete Deutsche Schlaganfall-Stiftung. Aber einen Medienkonzern retten ist ja auch eine Aufgabe. REINER METZGER