Pharmafirmen sind auskunftspflichtig

Seit heute müssen Pillenhersteller Patienten mit Medikamentenschäden über Beweislastumkehr informieren

BERLIN taz ■ Patienten haben seit heute mehr Rechte als bisher. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) präsentierten gestern Vormittag in Berlin gemeinsam die Ergebnisse patientenfreundlicher Reformpolitik.

Mit dem In-Kraft-Treten des neuen Schadensersatzrechtes können Medikamentengeschädigte und Opfer von Behandlungsfehlern bei Pharmazieunternehmen Auskünfte über eventuelle Fehler der Firmen verlangen. Sie müssen nur noch nachweisen, dass sie das Medikament ordnungsgemäß eingenommen haben und geschädigt wurden. Bisher hatten sie auch – in den seltensten Fällen mit Erfolg – die Kausalität von Ursache und Wirkung zu belegen.

Nun sind die Firmen in Umkehr der Beweislast verpflichtet zu beweisen, dass die Gesundheitsschäden nicht durch ihr Verschulden entstanden sein können. Die Haftungshöchstgrenzen seien erhöht worden.

Däubler-Gmelin betonte das übergeordnete Interesse, das sie ressortübergreifend und „freundschaftlich“ mit Schmidt verbinde: „Es geht um die Stärkung der Schwächeren.“ Überschneidungen ergäben sich vor allem im Bereich des europäischen Rechts, beim Verbraucherschutz, in der Drogenpolitik und bei der Palliativmedizin, der Behandlung und Versorgung unheilbar Kranker und Sterbender.

Schmidt zog das Fazit, dass die Hospizbewegung durch das Pflegeleistungsergänzungsgesetz gestärkt worden sei. Nur wenn sterbende Menschen „keine Angst haben müssen, dass ihnen die Würde genommen wird“, sei „eine Alternative zur aktiven Sterbehilfe“ möglich. Eltern, die „ein todgeweihtes Kind zu betreuen haben“, sollen „für die letzten Wochen“ und „zum Abschiednehmen“ von den Krankenkassen auch über die bisher üblichen 20 Tage hinaus Leistungen beziehen können.

Schmidt betonte, dass sie die Gesundheitsreformen, die ihre Vorgängerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Grüne) auf den Weg gebracht habe, seit Anfang 2001 konsequent fortgesetzt habe. So seien die Krankenkassen verpflichtet worden, pro Versichertem 50 Cent für Selbsthilfegruppen abzuführen.

Das bedeute für diese eine jährliche Unterstützung von 35 Millionen Euro. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur kompetenten „Mitsprache und Mitgestaltung“ von Patienten an Vorbeugung und Behandlung sei die Patienten-Charta, deren Ausarbeitung in einer Arbeitsgemeinschaft zum Beginn des kommenden Jahres abgeschlossen sein werde. Die Charta sei eine Zusammenfassung aller wichtigen Informationen und diene vor allem der Aufklärung über Dienstleistungen, Hilfsangebote und Rechte.

Der Patient habe freie Arztwahl und müsse auch die Möglichkeit haben, Leistungen zu vergleichen. Deshalb sollen Ärzte in Zukunft „zwar nicht werben“, aber ausführlicher informieren dürfen und Krankenhäuser zur Veröffentlichung von Qualitätsberichten verpflichtet werden. Das „Vetrauen in das Gesundheitssystem“ könne nur dann wieder wachsen, wenn der Patient Informationen und Antworten bekomme, zum Beispiel auch auf die Frage: „Wo gibt es die beste Hüftoperation?“

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