Der Angstabbauer

Gysis Bilanz als Wirtschaftssenator ist schwer zu ziehen. Aber Berührungsängste kannten Bosse kaum

Als der neue Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) seine Staatssekretäre vorstellte, gab es trockenen Rotkäppchen-Sekt – und viel Arbeit. „Ich weiß, dass ich Befürchtungen und Ängste abbauen muss“, sagte Gysi vor versammelter Belegschaft in der Wirtschaftsverwaltung. Gysi gab sich damals optimistisch, die Ängste, die zum Teil bei Unternehmern gegenüber einem PDS-Wirtschaftssenator herrschten, abbauen zu können. Gysi: „Wir arbeiten alle für diese Stadt.“ Das war vor einem halben Jahr – und zumindest für einen stimmt das so nicht mehr.

Ein halbes Jahr ist allerdings ein zu kurzer Zeitraum, um die Bilanz eines Wirtschaftssenators ziehen zu können. Unternehmensansiedlungen und -pleiten jedenfalls haben einen längeren Vorlauf; sie fielen sozusagen zufällig in die Amtszeit Gregor Gysis. Zudem sind einem Wirtschaftssenator, egal welcher politischen Coleur, die Hände gebunden, wenn es beispielsweise um unternehmerische Entscheidungen geht. So hat Gysis Drohung, Subventionen von Spreequell zurückzuverlangen, letztlich nicht dazu geführt, das Unternehmen dauerhaft in der Stadt zu halten.

Und auch die Insolvenz des Schreibartikelherstellers Herlitz konnte Gysi nicht dadurch verhindern, zu Beginn der Krise die Rolle der Banken kriitisiert zu haben. Immerhin gibt es jetzt einen Sanierungsplan, der das Unternehmen entschuldet hat und den Erhalt der meisten Arbeitsplätze sichert. Der Insolvenzverwalter Peter Leonhardt sprach dafür Gysi sogar „ein Kompliment aus“ – das Land Berlin hatte wie zuvor die Banken auf Forderungen gegenüber Herlitz verzichtet.

In die Amtszeit Gysis, der sich beim Thema Bankgesellschaft vornehm zurückgehalten hatte, fielen dagegen bedeutende Firmenansiedlungen: Der badische Softwarehersteller SAP wird ein Gebäude in der Nähe des Hackeschen Marktes in Mitte beziehen und der Musikkonzern Universal verlegte seine Zentrale an die Oberbaumbrücke in Friedrichshain.

Eines allerdings hat Gysi tatsächlich erreicht: die Berühgungsängste zwischen PDS und Wirtschaftsbossen, so sie denn bestanden, abgebaut zu haben. „Sachlich und zielgerichtet“ seien die Gespräche verlaufen, schwärmte etwa der Chef des Stromkonzerns Vattenfall Europe, Klaus Rauscher. Und aus den Berliner Wasserbetrieben hieß es, Gysi habe „ein Gespür für die wichtigen Themen“.

Um ein wichtiges Thema – nämlich Geld – dürfte es auch bei Gysis erster Senatorenreise in die USA im Juni gegangen sein. Immerhin sprach Gysi persönlich bei Coca-Cola vor – von manch Parteigenossen als Symbol eines US-amerikanischen Kulturimperialismus betrachtet – um Sponsorengelder für das Ostberliner Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) zu ergattern. Coca-Cola-Vizechef Clyde Tuggle habe sich „ausgesprochen wohlwollend“ geäußert, so Gysi. Vielleicht hat es auf dem Rückflug Rotkäppchen-Sekt gegeben.

RICHARD ROTHER