Halali auf die Wasservögel

Frankreichs Jägerlobby trägt einen Sieg davon: Ab Samstag darf sie wieder ballern. Die Regierung erfüllt damit ein Wahlkampfversprechen. Doch sie verstößt gegen eine EU-Richtlinie. Und die Chancen der Umweltschützer sind nicht schlecht

aus Paris DOROTHEA HAHN

Für Schnepfen, Wasserläufer und andere Wattvögel wird es in Frankreich ab dem Wochenende lebensgefährlich. Schon von Samstag an dürfen die Jäger wieder Position in ihren Schießständen längs der Küsten und Wasserläufe beziehen und auf sie ballern. So hat es die neue Umweltministerin entschieden.

In insgesamt sieben Dekreten hat sie den Beginn der Jagdsaison für Wasservögel – darunter auch Enten, Gänse und Rallen – vorgezogen und um sieben Wochen verlängert. Roselyne Bachelot löst damit in aller Eile ein Versprechen ein, das Premierminister Jean-Pierre Raffarin auf dem Höhepunkt des Parlamentswahlkampfes gemacht hat. Er wollte die Stimmen der eineinhalb Millionen Jäger gewinnen, die sich von der rot-rosa-grünen Regierung benachteiligt fühlten.

In dem seit mehr als zwanzig Jahren währenden Psychodrama zwischen Jägern und Tierschützern in Frankreich beginnt somit ein neues Kapitel. Die beiden Parteien werden wieder in den Jagdgebieten aufeinander prallen. Die einen werden drohend ihre Gewehre hochhalten, vielleicht sogar – wie schon geschehen – in die Gegend ballern, die anderen werden Kamerateams und andere Journalisten zu ihrem Schutz mitnehmen. Am Ende wird es zu einer Entscheidung des Staatsrats kommen. „France Nature Environnement“ (FNE), Dachverband von 2.000 französischen Naturschutz- und Tierfreundevereinen, hat seinen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die verlängerten Jagdsaisons bereits vorbereitet. „Wir wollen die Eröffnung der Jagd am 3. August verhindern“, erklärt Pierre Athanaze vom FNE, „sie verstößt nicht nur gegen das EU-Recht und ist für die betroffenen Vögel gefährlich, sondern sie bedroht auch die Sommerurlauber am Wasser.“

Aller Voraussicht nach werden die Gegner der vorgezogenen Vogeljagd gewinnen. Wie jedes Mal, wenn sie sich auf die Vogelrichtlinie 79/409/EWG berufen, in deren Artikel 7 es heißt, dass Wandervögel weder während ihrer Fortpflanzungsphase noch während ihrer Nistzeit noch während die Jungen von den Alten abhängig sind, gejagt werden dürfen. Denn europäisches Recht steht über nationalem Recht. Und außerdem hat eine konservative Pariser Regierung zugestimmt, als die europäische Richtlinie im April 1979 in Kraft trat. Frankreich hatte sogar gerade den rotierenden EU-Vorsitz inne.

Aber zu Hause hat sich auch 23 Jahre nach Inkrafttreten der europäischen Vogelrichtlinie noch keine Regierung wirklich getraut, die europäische Jagdpolitik in aller Konsequenz zu vertreten. Denn die Jäger sind ein gut organisierter Machtfaktor. Sie kommen aus Stadt und Land. Sie sind Arbeiter und Provinznotable. Sie haben eine eigene Partei, „Chasse, Pêche, Tradition, Nature“ (CPTN), deren Kandidat Jean Saint-Josse bei den Präsidentschaftswahlen über 4 Prozent kam. Und sie haben Lobbys in allen anderen Parteien. Wenn den Jägern etwas nicht passt, drohen sie damit, dass die Landschaft ohne ihre Arbeit verwahrlose. Oder sie sprengen politische Veranstaltungen. Oder sie protestieren, wie im Februar 1998 mit 150.000 Männern in Waidmannskluft auf den Champs-Elysées gegen die Verkürzung der Jagdzeiten. Auf ihren – selbstverständlich grünen – Transparenten war damals zu lesen: „Respektiert die Tradition“. Und: „Wir haben die Schnauze voll.“ Es war eine der mächtigsten Demonstrationen gegen die rot-rosa-grüne Regierung.

Jetzt haben die Jäger es erneut mit einer weiblichen Person im Umweltministerium zu tun. Doch Roselyne Bachelot steht auf ihrer Seite. Sie will „wissenschaftliche Kriterien“ gefunden haben, wonach die vorgezogene Jagderöffnung den Vögeln nicht schade und „im Einverständnis“ mit der europäischen Richtlinie stehe. Natürlich hätten manche Jäger gern noch mehr von ihrer Regierung bekommen. Beispielsweise die Jagderöffnung zum traditionellen Termin, dem 14. Juli, wenn manche Vogeljunge noch gar nicht richtig flügge geworden sind.

Aber insgesamt sind die Jäger zufrieden. „Das Kräfteverhältnis ist günstig“, jubelt der Chefredakteur der Jagd-Zeitschrift Le Chasseur Français in der Augustausgabe: „die Umweltschützer sind so schwach wie nie.“