Differenzen zwischen Bush und dem Pentagon

Ranghohe Militärs kritisieren die Kriegsabsichten ihres Präsidenten und fordern, die „Politik der Eindämmung“ beizubehalten

WASHINGTON taz ■ Die US-Regierung übte sich jüngst im Verwirrspiel. Während das Außenministerium darauf beharrte, dass es keine konkreten Pläne für einen Angriff gegen Irak gebe, sickerten aus dem Pentagon ständig neue Informationen durch, die auf einen baldigen Einsatz hindeuten. Armeestärke und Aufmarschgebiete – alles schon in Vorbereitung. Dann hieß es, nein, es gebe keine Detailpläne. Man werde sich aber alle Möglichkeiten offen halten, sagte Präsident Bush, der angeblich bereits im Mai durch den Generalstab über einen Invasionsplan unterrichtet worden sei. Plötzlich meldeten sich ausgerechnet ranghohe Militärs zu Wort, die Bushs Kriegsabsichten heftig kritisierten. Sie forderten die „Politik der Eindämmung“ beizubehalten. Wenig später wurde berichtet, das Pentagon plane keine groß angelegte Invasion, sondern die gezielte Bombardierung Bagdads. Dann trat Verteidigungsminister Rumsfeld vor die Mikrofone und wollte von diesem Szenario nichts mehr wissen. Dann ließ die Regierung verlauten, ein baldiger Krieg sei unwahrscheinlich, die wirtschaftlichen Risiken für die USA seien zu hoch.

Die Demokraten im Kongress zeigten sich zunehmend besorgt über die „unverantwortliche Informationspolitik“. Nachdem die Abgeordneten wochenlang nur über undichte Stellen in der Regierung von Angriffsplänen erfuhren, eröffneten sie die öffentliche Debatte am Mittwoch im Auswärtigen Ausschuss des Senats. „Wenn wir 100.000 Männer in Uniform stecken, müssen wir dem Land erklären, wofür wir dies tun“, sagte Senator Joseph Biden, der für den Fall eines Waffenganges eine Zustimmung des Kongresses fordert.

Für das Weiße Haus, das es ablehnte, Regierungsmitglieder in die Anhörung zu entsenden, scheint der Fall klar: Saddam und seine Waffenarsenale stellen eine Bedrohung dar, die sogar einen Präventivschlag rechtfertigen. Neue UN-Inspekteure sind Zeitverschwendung. Dagegen plädierte Exwaffeninspekteur Richard Butler dafür, bei einer erneuten Rüstungskontrolle im Irak nichts unversucht zu lassen. Erst dann sei eine militärische Antwort gerechtfertigt. Vom Irak gehe jedoch grundsätzlich keine unmittelbare Bedrohung für die USA aus, sagten andere Experten.

Bei der Risikoabschätzung zeigen sich wachsende Differenzen zwischen Regierung und Pentagon. Führende Militärs sagen, die „Strategie der Eindämmung“ hätte verhindert, dass Irak seine Nachbarn bedrohe, Terrorgruppen unterstütze und sein Waffenarsenal modernisieren könne. „Wir haben Saddam über elf Jahre in Schach gehalten, das ist ein Erfolg. Ich verstehe nicht, warum die Regierung sich so auf den Irak stürzt“, sagt ein Militärexperte.

Die Frage „Was danach?“ sorgt Kritiker am meisten. Die Regierung hat bislang nicht gesagt, wie sie sich die Zeit nach einem Regimewechsel vorstellt. Um Irak zu stabilisieren, wäre ein jahrelanges Engagement mit massiver Truppenpräsenz nötig. Wer jedoch den halbherzigen Einsatz in Afghanistan beobachtet, muss am Willen der USA zweifeln, sich am „Nation Building“ im Irak groß zu beteiligen. MICHAEL STRECK