„Thierse fordert Rechtsbruch“

Lufthansa verweigert dem Bundestag die Daten so genannter Bonusflieger. Forderung des Bundestagspräsidenten verstoße gegen Datenschutz. Kanzler: Kampagne von „Bild“

BERLIN taz ■ Die Lufthansa ist nicht bereit, die Namen der Abgeordneten zu veröffentlichen, die dienstlich erworbene Flugmeilen privat genutzt haben. Das machte Lufthansa-Chef Jürgen Weber gestern in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) klar. Eine solche Auflistung sei nicht mit dem Datenschutzgesetz zu vereinbaren, so die Begründung Webers. Eine Herausgabe der Daten sei daher nur mit dem Einverständnis der Betroffenen möglich. Lufthansa-Sprecher Klaus Walther bezeichnete Thierses Anliegen als „Aufforderung zum Rechtsbruch“.

Thierse reagierte verärgert auf die Weigerung der Airline. Deren Haltung sei „einigermaßen erstaunlich“, da ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz bereits erfolgt sei. „Was hat sie getan, um die Veröffentlichungen in der Bild-Zeitung zu unterbinden?“ – so seine Frage.

Thierse hatte die Fluggesellschaft aufgefordert, bis zum gestrigen Nachmittag eine solche Liste herauszugeben, nachdem die Bild-Zeitung am dritten Tag in Folge die Namen angeblicher „Bonussünder“ veröffentlicht hatte. Dabei waren offensichtlich bewusst nur Politiker der Regierungskoalition und der PDS angegriffen worden.

Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstützt das Vorgehen Thierses. Während er die „parteipolitische Kampagne“ der Bild verurteilte, kritisierten Datenschützer den Bundestagspräsidenten: „Unternehmen dürfen Kundendaten nur zur Erfüllung ihrer Geschäftszwecke erheben“, erklärte die Sprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz. Auch nach Ansicht des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim fordere Thierse jetzt „die Lufthansa öffentlich zum Bruch des Datengeheimnisses auf“, um von eigener Verantwortung als Chef der Bundestagsverwaltung abzulenken.

Während man in Berlin nach dem Rücktritt Gregor Gysis einen Nachfolger sucht, wies Dietmar Bartsch, PDS-Bundesgeschäftsführer, Spekulationen zurück, der wahre Rücktrittsgrund Gysis seien neue Stasi-Vorwürfe, nicht privat verflogene Meilen.

Bild veröffentlichte gestern weitere Namen von Bundestagsabgeordneten, die mit dienstlichen Meilen privat geflogen sein sollen. Darunter ist neben Klaus Lennartz (SPD) und Ulla Jelpke (PDS) mit Renate Blank (CSU) auch erstmals eine Abgeordnete der Union. SUSANNE AMANN

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