In den Schlingen des Zelluloids

„Wie vom Winde verweht“ in der Villa Elisabeth versucht sich an der Dekonstruktion der Mythenmaschine Hollywood

Es beginnt mit einem gigantischen Stück Torte, über das sich Scarlett O’Hara hermacht. Sie leuchtet sahnig weiß wie der reiche Stuck, der in der Villa Elisabeth, einem von Theaterspielenden wiederentdeckten Gemeindehaus, die doppelstöckigen Arkaden des als Bühne genutzten Saals verziert. In diesem Ambiente, denkt man, kann doch eigentlich nichts schief gehen mit der Geschichte von Scarlett und dem Untergang der Südstaaten, die das Regieteam Daniela Kranz und Jenke Nordalm in „Wie vom Winde verweht“ zu untersuchen verspricht.

Aber schon während Scarlett (Ute Baggeröhr) ihre Torte verschlingt, beschleicht einen der Verdacht, dass dies „Untersuchen“ womöglich nicht über das Auswendiglernen von Filmdialogen hinausgekommen ist. Oh, es gibt Szenen voller unterschwelligem Sex, wie das Kricketspiel gleich zu Beginn. Eine Brise des Surrealen von „Alice in Wonderland“ weht herüber, wenn sich die Männer zu lebenden Toren biegen, die Damen ihnen die Kugeln zwischen die Beine schießen oder die Bälle unter ihren üppigen Reifröcken gefangen setzen. In diesen anzüglichen Bildern haben die Körper eine eigene Komik und Spannung.

Doch meist ist davon kaum etwas zu sehen. Wie Papierfiguren treten die Schauspieler auf und ab, eingefroren in stereotypen Haltungen. Rhett Butler (Frank Riede) zum Beispiel ist so damit beschäftigt, seinen Schnurrbart und sein Grinsen Clark-Gable-like schief zu halten, dass ihm für übrige Nuancen keine Kraft mehr bleibt. Vor einem Jahr wurden Daniela Kranz und Jenke Nordalm für ihre Inszenierung „Giftmörderinnen“ nach einem Roman von Elfriede Czurda viel gelobt. Das war bitter, präzise und gut gespielt. Bei „Wie vom Winde verweht“ dagegen weiß man nicht, ob das laienhaft Agieren als parodierendes Stilmittel gemeint ist oder ob es einfach nicht besser geht.

Vielleicht ist das Pathos der Vorlage so unverwüstlich, weil die ironische Hintertreibung immer schon mit einkalkuliert ist; denn der bittere Clou der Liebe zwischen Scarlett und Rhett ist ja, dass einer von beiden den anderen immer in der Strategie hinter den Gefühlen vorführt. Der Film schien immer schon sich selbst zu parodieren; seine Rezeptionsgeschichte lebte aus dieser Spannung zwischen Hingerissensein und dem ungläubigen Bestaunen der eigenen Reflexe. Das macht Kult schließlich aus.

Mit dieser Ambivalenz zwischen Ironie und Pathos wird die Theaterfassung nicht fertig. Irgendwann muss das Team aufgegeben haben, mehr zu wollen, als die Geschichte so vollständig wie möglich nachzuspielen. Irgendwann merkten sie, dass sie die Sache sogar sehr ernst nahmen. Da wird in allen Farben von Technicolor und in 70 mm ein Schlachtfeld ausgemalt, das die jungen Schauspieler wirklich ergriffen zu haben scheint, denn sie geben sich Mühe, den Schrecken des Krieges zu vermitteln. So verheddern sie sich immer tiefer in den Schlingen des Zelluloids. KATRIN BETTINA MÜLLER

„Wie vom Winde verweht“. Villa Elisabeth, Invalidenstr. 3, 8.–11., 15.–18., 22.–25. 8., jeweils 21 Uhr