Vielseitiger Dienstleister

Die Zeiten, als S.T.E.R.N. nur Sanierungsträger war, sind vorbei. S.T.E.R.N.-Geschäftsführer Cornelius van Geisten erläutert im Interview das neue Profil der „Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung“

taz: Nach dem Fortzug von S.T.E.R.N. aus Kreuzberg hat sich das Profil der „Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung“ sehr verändert. Was bestimmt ihre aktuelle Rolle?

Cornelius van Geisten: Nach wie vor stehen die Bewohner im Mittelpunkt unserer Arbeit im Sanierungsgebiet. Der Betroffene muss die Chance erhalten, im gewohnten Umfeld bleiben zu können. Niemand soll durch Verdrängung existenziell bedroht werden. Aber das passiert auch kaum noch.

Lässt sich denn das Niveau von Kreuzberg halten? Die damaligen Projekte waren doch finanziell üppig ausgestattet.

Ja, das muss man aus heutiger Sicht sagen. Doch höre ich den Verweis auf die Finanzen heute immer als Kritik an der Stadterneuerung, was ich nicht gerechtfertigt finde. Wir initiieren im Sanierungsgebiet Prenzlauer Berg einen ähnlichen Prozess, doch hier erhält lediglich die Hälfte der Häuser Förderung, und die ist im Einzelfall oft geringer als damals in Kreuzberg. Davon hängt jedoch nicht unser Engagement ab.

Sinkt die Qualität der Sanierungen damit nicht?

Nein, ganz sicher nicht. Im Übrigen wurden viele der Kreuzberger Häuser mit viel weniger Geld saniert als seinerzeit in anderen Bezirken. Deswegen sind sie qualitativ aber nicht schlechter geworden.

Doch wenn wie in Prenzlauer Berg mehr privates Geld investiert wird, nimmt dann nicht der Einfluss der Eigentümer zu?

Es fließt mehr Geld in Dachausbauten oder andere ökonomisch besser verwertbare Wohnungen, das ist richtig. Doch in anderen Punkten haben wir uns über die Sanierung des Wohnungsbestands hinausentwickelt. So entstehen hier etwa sehr gut gestaltete Erdgeschosszonen.

Ein Unterschied ist, dass die Klientel in diesem Bezirk sich anders als in Kreuzberg in einer Umstrukturierung befindet.

Das stimmt nicht. Kreuzberg war damals größtenteils geräumt für die Sanierung, die Leerräume füllten sich durch türkische Familien und die alternative Szene. Die Umschichtung in Prenzlauer Berg ist ganz normal: Familien ziehen in Stadtteile mit mehr Grün, andere wechseln nach dem Studienabschluss vom Seitenflügel ins Vorderhaus. Verdrängung findet lediglich statt in besonders nachgefragten Lagen wie um den Kollwitzplatz.

S.T.E.R.N hat seit einigen Jahren das Betätigungsfeld ganz erheblich ausgeweitet. Was machen Sie außerhalb der klassischen „Sanierungsgebietsbetreuung“?

Wir sind über unsere Kernkompetenz als Sanierungsträger hinausgewachsen. Zum Besipiel haben wir im Quartier Kaulsdorf-Nord die Projektsteuerung übernommen, später auch die Planung und Durchführung für die Modernisierung von über 4.500 Wohnungen. Das heißt, wir haben vom Entwurf bis zur Beauftragung der ausführenden Firmen alles koordiniert, und zwar im Auftrag eines privaten Investors.

Wie passt das zu dem bisherigen Profil von S.T.E.R.N.?

Wir haben unsere Erfahrungen in der Mieterbetreuung einsetzen können, um ein enges Netz zwischen den Bewohnern, den Planern und den Baufirmen zu knüpfen. So gab es ein eigenes Büro, das mit jedem einzelnen Mieter den Bauablauf bis ins Detail abgestimmt hat. Sonderwünsche zum Ausstattungsstandard, aber auch Pflegebedürftigkeit, Schichtarbeit oder Urlaube wurden berücksichtigt.

Wie sah das praktisch aus?

Wir erarbeiteten Taktpläne, nach denen Aufgang für Aufgang in einem bestimmten Zeitfenster saniert wurde. Etwa der 5-Tage-Takt für eine Hauseinheit: Nach Baubeginn am Montagmorgen werden die Wohnungen am Freitagnachmittag erneuert den Mietern übergeben. Der soziale und der technische Vorgang werden miteinander verzahnt.

Die Bauherren wehren sich doch meistens gegen die Einbeziehung von Mietern?

Anfangs haben uns die Investoren für Spinner gehalten. Es hat sich allerdings gezeigt, dass unsere Methode, mit den Mietern zu reden und Zeitpläne zu erstellen, um daraus den Bauablauf und die Aufträge für die Firmen abzuleiten, zur Einhaltung der Termine und letztlich auch der Preise führte.

Die Beteiligung der Bewohner ist auch ein Thema des Stadtumbaus Ost, den S.T.E.R.N. als Wettbewerbsagentur des Bundes betreut. Gerade in den bereits teilweise leer stehenden Plattenbausiedlungen ist die Stimmungslage empfindlich.

Die Gleichsetzung von Leerstand mit Plattenbauten ist falsch. Der Leerstand als Ergebnis der Abwanderung aus den ostdeutschen Städten betrifft in unterschiedlichem Maße fast alle Quartiere. Erstes Ziel beim Stadtumbau sollte sein, den Bewohnern Sicherheit für Ihren Wohnort zu geben. Das gilt auch für die Großsiedlungen; Plattenbauten sind ein durchaus modernes Produkt, das etwa eine freie Grundrissgestaltung ermöglicht. Ich habe jedoch den Eindruck, dass in der öffentlichen Diskussion die Konfrontation zwischen den Abrissbefürwortern und den Bewohnern verschärft wird, statt über gemeinsam getragene Lösungsstrategien nachzudenken.

Meinen Sie, der Stadtumbau Ost scheitert an den unterschiedlichen Erwartungen?

Nein. Immerhin wurden 230 Beiträge zum Wettbewerb abgegeben, was nicht weniger heißt, als dass sich 230 Gemeinden mit ihrer zukünftigen Stadtentwicklung beschäftigt haben. Das kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Auf der anderen Seite ist nur wenigen gelungen, einerseits die Wohnungsunternehmen einzubeziehen und andererseits Strategien für die Umsetzung und die Betroffenenbeteiligung zu erarbeiten.

Warum ist das ein Manko?

Diese Haltung lag auch den Abrisssanierungen der 1970er-Jahre zugrunde. In den Köpfen steckt das Bild einer modernen Stadt, das unkritisch zum Wohle der Bewohner umgesetzt werden soll. Diese Gefahr der „Fürsorglichkeit“ steckt potenziell auch im Stadtumbau Ost. Praktisch kann die Erneuerung aber nur gelingen, wenn Bewohner und Wohnungswirtschaft intensiv beteiligt werden und finanzielle Sicherheit geschaffen wird.

Die einst experimentell arbeitende Altbau-IBA ist ein vielseitiger Dienstleister geworden. Wie unterscheidet sich S.T.E.R.N. von anderen Unternehmen?

Der soziale Anspruch an die Stadtgesellschaft bestimmt nach wie vor unser Handeln. Wir haben es geschafft, aus den planerischen Ansprüchen der behutsamen Stadterneuerung praktische Verfahren für die Erneuerung großer Wohnungsbestände zu entwickeln. Auch die Instrumente der Stadterneuerung werden weiterentwickelt, wie es zum Beispiel das Quartiersmanagement zeigt. Das Spektakuläre der Experimente ist vielleicht vorbei, aber der Prozess der Erneuerung geht weiter.

INTERVIEW: MIKAS