Einlochen beim Stechen

Am 19. Sommerloch des erotischen Elends. Was Golf und Sex verbindet

Beschwören würde ich es nicht, aber vermutlich war der „Sportschau“-Moderator Hans-Joachim Rauschenbach Schuld, der an seinem höchst riskant sitzenden Toupet zu erkennen war. Jedenfalls moderierte Hajo Rauschenbach eines Samstagabends die „Sportschau“. Unmittelbar im Anschluss an ein Interview mit dem sehr jungen Golfprofi Bernhard Langer suchte er nach passenden Abschiedsworten an die Zuschauer. Nein, eigentlich suchte er nicht, er hatte vorher und allemal sorgfältig darüber nachgedacht, denn völlig zu Recht trug er in Fachkreisen den Kosenamen „Metaphern-Hajo“.

Im knarrenden Parlando wünschte er nun dem Publikum zu Hause einen schönen Sonntag „und dass Sie möglichst schnell …“ – hier machte er eine Pause, die er mit einer flotten Handbewegung begleitete – „ … und dass Sie möglichst – fffffft – schnell einlochen“.

Da war’s passiert: Der Golfsport, damals im bundesrepublikanischen Freizeitbeschäftigungsranking ziemlich weit unten angesindelt und ausschließlich Aufsichtsratsvorsitzenden und Chefärzten vorbehalten, hatte einen Fan mehr. Nämlich mich.

Ich arbeitete mich tiefer und immer tiefer bohrend in die Materie ein, achtete andererseits flächendeckend auf den Flug des Balles vom Rough übers Fairway zum nächsten Grün direkt an die Fahne und wieder von vorne, aber nach einer Weile wurde mir klar, dass es ohne die gründliche Lektüre und dauerhafte Rezeption diverser Fachzeitschriften nicht gehen würde. Diese an Intensität nicht zu überbietende Neugier, dieser Wissensdrang konfrontierte mich mit den Eigenschaften des 19. Lochs, mit 3er-Eisen, denen das Bogey eingraviert war, mit dem Birdie, der eventuell doch irgendwie mit Vögeln zu tun hat, und eines Tages mit dem Leserbrief eines gewissen Rudolf Riesenberg aus 67714 Waldfischbach in der Aprilausgabe des Golf Magazins. Der offenbar ältere Leser fragte die Experten: „Gibt es eine Regel, wonach Herren über 70 beziehungsweise über 75 Jahre berechtigt sind, am Damenabschlag abzuschlagen?“

Das Golf Magazin antwortete: „Nein, die gibt es nicht. Aus der Spiel- und Wettspielordnung des Deutschen Golf Verbandes ist lediglich bekannt, daß Knaben bis zur Vollendung des 13. Lebensjahres zur Erlangung einer Vorgabe im Rahmen der Vorgabeklasse 5 sowie armamputierte Herren vom Damenabschlag spielen dürfen.“

Diese armamputierten Herren standen seitdem vor meinem inneren Auge, verstellten den Blick sozusagen, aber das Gehör funktionierte einwandfrei, was ich daran erkennen konnte, dass ich den Witz verstand, den eine etwa 60-jährige Dame mir erzählte: „Treffen sich zwei Ehefrauen auf einer Party. Fragt die eine: ‚Schlaft ihr noch miteinander, oder spielt ihr schon Golf?’“

Da war sie wieder, die dämonisch-dekadente Verbindung zwischen Sex und Golf, ohne dass sie von den armamputierten Herren, die bestenfalls noch eine Hand an sich oder ihren Sexualpartner legen können, unterbrochen wird. Ja, sie kulminierte sogar vor kurzem, als gegen Mitternacht das Finale der British Open auf dem kompetenten Spartensender DSF zu verfolgen war. Ein Stechen ward erforderlich. Ein Stechen über vier Löcher.

Zwischen den einzelnen Schlägen fleischsatte Bilder und imperative Attacken: Ruf an, verlange heiße Girls oder reife Frauen ab 50 wie Babette Blue (Earnie Els spielt Par am ersten Loch), heiße und willige Polinnen (Steve Elkington puttet um Schamhaaresbreite vorbei), Frauen mit dicken Dingern, geprüft von Teresa Orlowski (knapp gescheitert Stuart Appleby), lass dich von ihnen verwöhnen, entspann dich und lass dich verführen, ruf jetzt an, nimm mich (Thomas Levet landet im Bunker), absolut live und heiß, die prickelndste Nummer.

Earnie Els fuhr schließlich als Sieger mit ein oder zwei Millionen Dollar Preisgeld nach Hause, im Gegenzug verzichtete ich darauf, 12 oder 54 Cent pro Minute in Hotlines zu investieren, wie ich auch die drei Videos „Lebenslang Freude am Sex“ nicht bestellte. Ein Angebot, das sowohl das 0190er-Geknalle wie auch den Golf-Bericht insgesamt beendete. Stattdessen drehte ich am folgenden Tag bescheiden eine Trostrunde auf dem Minigolf-Platz. Vom Damenabschlag.

DIETRICH ZUR NEDDEN