Uruguay in den Stapfen Argentiniens

Nachdem die Banken als Folge der Finanzkrise weiterhin geschlossen bleiben, kommt es in Montevideo zu Protesten und Ausschreitungen. Der IWF stellt dem Land zwar schnelle Hilfe in Aussicht, fordert aber zuerst Gegenleistungen

PORTO ALEGRE taz ■ Mit einer Mischung aus Sorge, Mitleid und klammheimlicher Schadenfreude verfolgen derzeit viele ArgentinierInnen, was sich bei den Nachbarn im Norden tut. So am Mittwoch, als der brasilianische Real kurzzeitig auf ein Allzeittief gegenüber dem Dollar absackte. Oder als im uruguayischen Montevideo der erste Supermarkt geplündert wurde. Am Donnerstag, dem dritten Tag nach der Bankenschließung durch die Regierung, wurde klar, dass die Krise in Uruguay eine ähnliche Dynamik bekommen könnte wie die Ereignisse im letzten Dezember auf der südlichen Seite des Río de la Plata.

In den Armenvierteln Montevideos kam es zu Plünderungen. Hunderte von Kindern und Jugendlichen stürmten mit dem Ruf „Es herrscht Hunger“ mindestens 16 Geschäfte. In 14 Fällen konnte die Polizei Plünderungen zuvorkommen. Es gab 34 Festnahmen, 4 Polizisten wurden verletzt.

Uruguays Innenminister Guillermo Stirling erklärte, die Aktionen seien „alles andere als spontan“ gewesen. Bei den teilweise mit Holzstöcken bewaffneten Plünderern handle es sich um „eine Gruppe perfekt organisierter Bürger, die die uruguayische Gesellschaft destabilisieren“ wollten.

Zuvor hatten sich Tausende von Arbeitern aus dem Gesundheits-, Erziehungs- und Bankenbereich einem vierstündigen Streik angeschlossen. Sie protestierten gegen die Sparpolitik der Regierung und forderten Lohnerhöhungen sowie Maßnahmen zur Belebung der Binnenwirtschaft. Der Streik sei von allen 42 Mitgliedsgewerkschaften unterstützt worden, sagte Juan Castillo vom Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT.

Ausgelöst worden waren die Probleme in Uruguay durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in Argentinien. Der dortige Bankenkollaps und die große Unsicherheit hat die Finanzmärkte über die Landesgrenzen hinaus getroffen. Allein für dieses Jahr rechnet die UNO-Wirtschaftskommission damit, dass die argentinische Wirtschaft um 13,5 Prozent schrumpft, auch für Uruguay sagt sie ein Minus von 5 Prozent voraus.

In Washington stellte der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land bei Beibehaltung des Sparkurses rasche Finanzspritzen in Aussicht. Doch anders als sämtliche Tageszeitungen Montevideos behaupten, gibt es noch keine festen Zusagen. Denn Uruguay sei zwar ein Opfer der Argentinienkrise, so IWF-Sprecher Paul Dawson. „Aber selbst unschuldige Opfer müssen Maßnahmen ergreifen.“

Überschwängliches Lob gab es dagegen von Paul O’Neill. Der US-Finanzminister, der zu Wochenbeginn den Einbruch des Real mit verursacht hatte, bescheinigte Uruguay und Brasilien eine „solide Politik“, die Unterstützung verdiene. Daraufhin erholte sich der Real um 9,5 Prozent. Mit Brasilien möchte der IWF ein Abkommen aushandeln, das in die Amtszeit des neuen Präsidenten hineinreicht, um die Favoriten Lula und Ciro Gomes schon vor der Wahl auf seine Politik zu verpflichten. In Argentinien bleibe jedoch „noch viel zu erledigen“, sagte IWF-Sprecher Dawson. GERHARD DILGER