Echt oder Falsch?

Gefälschte Kunst ganz legal im Steigenberger Hotel: Galerist Gregor Pfeil vom International Imaginary Museum in Zürich zeigt 160 gefälschte Gemälde im Wert von insgesamt einer Million Euro

von HELENE BUBROWSKI

Über den Wert des Authentizitätskults lässt sich viel philosophieren: Welchen Sinn hat es, immense Summen für ein Gemälde auszugeben, das sich von seiner Kopie in nichts unterscheidet – abgesehen vom puren Wissen um die Tatsache, dass das eine vom Künstler und das andere vom Fälscher hergestellt wurde? Wie äußert sie sich, die vorgebliche Aura des Originals, wenn sie doch bislang niemand hat belegen können?

Fragen, die einen auch beim Besuch der derzeit im Steigenberger präsentierten Schau gefälschter Kunstwerke bewegen, die gleich zu Beginn Erschütterndes offenbart: Auch das geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa im Louvre ist nicht echt. Denn das Original wird aus restauratorischen Gründen nur einmal im Jahr einem ausgewählten Publikum gezeigt.

Was die regulären Besucher zu sehen bekommen, ist die Kopie des bekannten da Vinci; falsch eben – oder, so Gregor Pfeil, „genauso echt wie meine Bilder“ in seiner eigenen Ausstellung, normalerweise im Züricher International Imagery Museum zu sehen. Von mittelalterlicher Kunst bis zum Expressionismus, von Raffael und Dürer über Monet bis zu Marc und van Gogh.

Mit dieser Ausstellung will Pfeil, der zusammen mit Bruno Schmed das International Imaginary Museum leitet, diese Kunstwerke einem breiten Publikum zugänglich machen, sagt er. Der Verkauf der Fälschungen, von Restauratoren und auch Autodidakten angefertigt, stehe für ihn erst an zweiter Stelle. Ein Gemälde inklusive Rahmen kostet zwischen 500 und 3000 Euro.

Das so verdiente Geld muss nicht gewaschen oder ins Ausland gebracht werden, denn Pfeils Vorhaben ist ganz legal: Die Fälschungen sind alle mit einem Stempel auf der Rückseite der Leinwand gekennzeichnet, die Schöpfer der Originale sind alle bereits mehr als 70 Jahre tot, und die Fälschungen geringfügig verändert, wie beispielsweise eine um zwei Millimeter reduzierte Höhe.

Doch auch der illegale Handel mit Kunstfälschungen ist ein sehr lukratives Geschäft: „Mit Fälschungen, die als Originale verkauft werden, werden weltweit jährlich über 30 Milliarden Dollar Umsatz gemacht“, erklärt Pfeil. Auch Laboruntersuchungen und Gutachten renommierter Experten, die ein Original als ein solches auszeichnen sollen, sind nicht hundertprozentig zuverlässig.

Für Millionen von Euro erstandene Werke entpuppen sich oft erst im Nachhinein als Fälschungen, wie beispielsweise eine Kopie von van Goghs Gemälde Sonnenblumen, das der japanische Yasuda Versicherungskonzern im Jahr 1987 für 40 Millionen Dollar ersteigerte. Acht verschiedene Bilder mit Sonnenblumenmotiv entstanden zu Lebzeiten des Neoimpressionisten, heute kursieren 28 für echt erklärte Werke in den Auktionshäusern der Welt; ein – allerdings zugegebenermaßen – falsches hängt derzeit auch im Saal des Steigenberger Hotels.

Die Sammlung des International Imaginary Museums umfasst insgesamt sechs historische Fälschungen, zum Teil so alt wie die Originale selber. Pfeil: „Die würde ich nie im Leben verkaufen“ – etwa eine um 1770 entstandene Fälschung von Raffaels Gemälde Madonna mit Kind. Knapp 100 Jahre nach der Anfertigung der Kopie schenkten es die Hohenzollern der Dresdner Nationalgalerie. Dort hing es, bis es 1944 als Fälschung entlarvt wurde. Auch andere Kopien verfügen über eine beredte Vergangenheit: beispielsweise zwei Kupferstiche von Albrecht Dürer, die zu dessen Lebzeiten entstanden sind. In diesem Fall ist die Indentifizierung als Fälschung besonders schwer, weil die physikalischen Untersuchungen zu keinem aufklärenden Ergebnis führen können, schließlich sind die Materialien des Fälschers genauso alt wie die Dürers. Nur in starker Vergrößerung ist eine kleine Unreinheit in der Größe von weniger als einem Millimeter in der Linienführung erkennbar. Die meisten Werke der Sammlung sind allerdings verkäuflich und jüngeren Datums. Pfeils neuste Anschaffung, Renoirs Frühstück der Ruderer ist erst vor einigen Wochen fertig gestellt worden.

Die Pfeilsche Sammlung enthält auch die fünf teuersten Gemälde der Welt: Die Kopien vonvan Gogh, Cézanne und Monet verkauft Pfeil für einige Millionen Euro unter dem Preis, zu dem die Originale gehandelt werden. Gemessen am hergebrachten Kunst- und Geniebegriff immer noch indiskutabel teuer – insgesamt kosten die 160 im Steigenberger präsentierten Gemälde eine Million Euro. Und doch rechnet sich die Betrachtung der hier präsentierten Werke – schon auf Grund ihrer Ballung: Denn um all diese Bilder im Original sehen zu können, bräuchten Kunstliebhaber „ein Jahr Urlaub und 10.000 Euro in der Reisekasse“, so der Ausstellungsleiter. Denn die zugehörigen Originale sind in den größten Museen über die ganze Welt verteilt.

täglich 11–20 Uhr, bis 11. August; Steigenberger Hotel