Harald Wolf wird Senator

PDS-Spitzen entscheiden sich in der Gysi-Nachfolge für interne Lösung: Harald Wolf soll das Wirtschaftsressort übernehmen. Parteichef Stefan Liebich soll zusätzlich Fraktion führen

von ROBIN ALEXANDER

Harald Wolf soll neuer Wirtschaftssenator Berlins werden. Darauf verständigten sich die PDS-Spitzen im Laufe des Sonntags. Offiziell gab es noch keine Bestätigung, da sich die von der Partei eingesetzte „Findungskommission“ erst am Abend im Abgeordnetenhaus traf. Schon am Nachmittag zeichnete sich jedoch eine Lösung ab: Wolf, bisher Fraktionschef der PDS, rückt für den zurückgetretenen Gregor Gysi in den Senat. Den Fraktionsvorsitz soll Stefan Liebich übernehmen. Damit würde der 29-Jährige sowohl die Fraktion als auch die Partei führen.

Die Findungskommission besteht aus Liebich als Parteichef, seiner Stellvertreterin Annegret Gabelin, Wolf als Fraktionsvorsitzendem und dessen Vize Carola Freundl. Beratende Mitglieder sind die Senatoren Heidi Knake-Werner (Soziales) und Thomas Flierl (Kultur). Bei der ersten Sitzung der Kommission waren auch noch die Staatssekretäre in der Wirtschaftsverwaltung Volkmar Strauch (SPD) und Hildegard Nickel (parteilos) anwesend. Die PDS-Politiker in der Runde waren sich einig, dass der gesuchte Senator nicht nur „Kompetenz und Ruf in der Wirtschaft“ haben müsse, „sondern auch Gewicht in den Koalitionsmechanismen“ (Wolf). Dieses Kriterium sprach gegen einen Parteilosen. Vor allem Liebich drängte darauf, der Kandidat müsse „Berlin kennen“.

Schon am Donnerstag hatten einige in der Runde offen für Wolf plädiert. Wolf selbst jedoch wies ebenso wie Liebich auf die zentrale Bedeutung des Fraktionschefs hin. Also verbrachte die PDS-Führung den Freitag und den Samstag mit Telefonaten, um Vorschläge aus der Partei zu prüfen und „nach dem Ausschlussprinzip den potenziellen Kandidatenkreis einzuengen“, so eine Sprecherin. Öffentlich gehandelte Kandidaten wie Helmut Holter (Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern) oder gar Christa Luft (Wirtschaftsministerin der Modrow-Regierung) standen nicht zur Debatte. Bis Sonntagmittag blieb jedoch der Bürgermeister von Lichtenberg, Wolfram Friedersdorff, im engeren Bewerberkreis. Dann aber fielen die Würfel für Wolf.

Der einflussreiche Bundesgeschäftsführer der PDS, Dietmar Bartsch, hatte Wolf schon unmittelbar nach Gysis Rücktritt vorgeschlagen. In der SPD dürfte man sich über die Lösung ebenfalls freuen. Der Regierende Bürgermeister Wowereit duzt sich mit Wolf, beide sind gelernte Haushaltspolitiker. Auch in der PDS dürfte es kaum Widerstand gegen die Personalentscheidung geben. Kritisch wird vielmehr gesehen, dass Wolf dadurch gezwungen wird, den Fraktionsvorsitz niederzulegen. Im Haushalts- und Vermögensausschuss sei er „unersetzlich“, heißt es aus der Fraktion.

Stefan Liebich selbst ließ sich nur ungern dazu überreden, den Fraktionsvorsitz anzustreben. Der 29-Jährige, der erst vor knapp sieben Monaten die Parteiführung übernahm, hatte bei seiner Wahl noch angekündigt, die „Partei gegenüber der Fraktion stärken“ zu wollen. Die Fraktion selbst soll erst im Laufe des heutigen Tages informiert werden. Hier könnte es Widerstände geben: Noch vor kurzem leisteten sich die Fraktion eine Doppelspitze, nun sollen sogar Partei- und Fraktionsführung in einer Hand liegen. Wolf und Liebich werden vor der Fraktion mit den mangelnden Alternativen argumentieren: Carola Freundl hat sich erst vor kurzem einer erneuten Kandidatur verweigert, um mehr Zeit mit ihrem heranwachsenden Sohn zu verbringen. Zudem würde Freundl als Fraktionsvorsitzende am Senatstisch auf ihren Partner Thomas Flierl treffen. Dieses Argument hatte schon eine Sozialsenatorin Freundl verhindert. Gesine Lötzsch, eine weitere einflussreiche Abgeordnete, kandidiert aussichtsreich für den Bundestag und kommt daher für den Fraktionsvorsitz nicht in Frage.

Das für 20 Uhr angesetzte Treffen der Findungskommission war vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beendet. Eine öffentliche Festlegung der PDS wird erst für heute Abend erwartet, nachdem der Landesvorstand informiert wurde.