regen, regen, gehe fort, geh an einen andren ort von RALF SOTSCHECK
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Wenn den Iren der Gesprächsstoff ausgeht, was selten der Fall ist, können sie immer noch über das Wetter reden. Vor allem in diesem Sommer. Irland ist nicht gerade bekannt für ein trockenes, warmes Klima, aber das ist selbst für die nässegewöhnten Einwohner zu viel. An der Nordwestküste hat es bisher knapp doppelt so viel geregnet wie üblich, in anderen Regionen ist es um 80 Prozent feuchter. Es gab 20 Prozent weniger Sonnenschein als im Vorjahr. Die Obsternte ist verdorben, die Kartoffeln sind verfault. An der Südwestküste baut ein Ehepaar angeblich ein Holzschiff und sammelt zwei Exemplare jeder Spezies ein.

Der wärmste und trockenste Ort ist der Dubliner Flughafen. Dort wurden am 21. Juni sagenhafte 22 Grad gemessen. Vermutlich wollte man die ankommenden Touristen in Sicherheit wiegen. Das hat nicht besonders gut funktioniert. Überall stehen die Hotels, Pensionen und Restaurants leer, was freilich nicht nur am Wetter liegt, sondern auch an den exorbitanten Preisen, die vor allem in touristischen Gegenden verlangt werden. Dabei entstehen täglich neue Attraktionen in Form von Seen. Sogar die Hauptstraße nach Nord-Dublin hatte sich neulich in einen Teich verwandelt, der jedem Dorfanger Ehre gemacht hätte.

In der Grafschaft Waterford hat man ganz andere Sorgen mit den Seen. Irgendein Torfkopf hat ein paar Frankenfische in einem Tümpel ausgesetzt. Die Tiere haben sich rasant vermehrt, alle anderen Fische aufgefressen und sich dann über die Nachbarseen hergemacht. Die Fische können nämlich auf ihren Flossen über Land laufen, im Umkreis von 70 Kilometern haben sie die Gewässer inzwischen unter ihre Kontrolle gebracht. Vielleicht sind es aber gar keine Fische, sondern Lemminge, denen aufgrund der Witterungsverhältnisse Flossen gewachsen sind.

Die Meteorologen, die am Abend im Fernsehen den Wetterbericht mit sorgengefurchter Stirn verlesen, haben es nicht leicht. Sie bemühen sich redlich, die Hiobsbotschaft täglich zu variieren. Möglicherweise befürchten sie, dass man sie für das Wetter verantwortlich machen könnte.

Wenigstens hat der Wettergott Humor, wenn auch eher der sarkastischen Art: Vorige Woche erlebte die bestrickjackte Bevölkerung überrascht, wie sich ein heftiges Abendgewitter über ihren Köpfen entlud. Solch ein Gewitter erwartet man nach einem schwülen Sommertag, aber es hatte bereits den ganzen Tag geregnet – bei Temperaturen um 13 Grad.

Neulich hat ein Priester sogar einen Wettergottesdienst abgehalten, der live übertragen wurde und 20.000 Menschen erreichte. Pfarrer Brendan Hoban betete für Sonnenschein, dazu sang und tanzte die Gemeinde, um die Wolken zu verscheuchen – das Gegenteil eines indianischen Regentanzes. Paul Claffey, der die Übertragung moderierte, behauptete, er habe nach der Messe blaue Fleckchen am Himmel über dem Studio gesehen. Falls es aber doch kein Ende mit dem Regen nehmen sollte, so fügte er hinzu, werde er dennoch weiterhin an Gott glauben. An Tlaloc, den aztekischen Regengott.