Alles eine Frage der Geschmeidigkeit

Wie können SPD und Grüne an der Macht bleiben? Mit der Ampelkoalition? Vielleicht. Mit Rot-Rot-Grün? Niemals

BERLIN taz ■ Glaubt irgendjemand im Regierungslager noch an die Fortsetzung der rot-grünen Koalition? Die wenigsten. Aber es gibt viele, die von Berufs wegen so tun müssen, als glaubten sie daran.

Der Kanzler gehört zu ihnen. Erst in der vergangenen Woche nach der Krisensitzung der SPD-Präsidiums hat Gerhard Schröder demonstrativ in jede Fernsehkamera gesagt, dass es sein Ziel sei, weiter mit einer rot-grünen Koalition zu regieren. Das muss er auch sagen, jedenfalls jetzt noch; alles andere wäre bereits das Eingeständnis einer Niederlage. Noch sind es sieben Wochen bis zur Bundestagswahl.

Ganz davon abgesehen, dass Schröder nicht mal lügt. Er würde seine Regierung in der jetzigen Konstellation ja wirklich gerne fortsetzen. Die Grünen sind ein verlässlicher, bequemer Koalitionspartner, und Joschka Fischer ist einer der ganz wenigen Politiker, von denen Schröder wirklich etwas hält. Aber da am 22. September nicht gewürfelt, sondern gewählt wird und der Kanzler die katastrophalen Umfragen kennt – Rot-Grün liegt im Schnitt 7 bis 8 Prozent hinter Schwarz-Gelb –, hat er seine Regierung innerlich schon so gut wie abgeschrieben. Ihn interessiert nur noch eines: Wie bleibe ich Kanzler?

Die wahrscheinlichste Variante ist die große Koalition. Über sie muss der Kanzler nicht viel nachdenken. Wenn nichts anderes mehr geht, kommt sie von ganz allein. Geliebt ist sie nicht, aber wenn sie denn sein muss, dann muss sie eben sein. (Eine große Koalition unter Führung der Union hingegen wäre für die SPD eine Katastrophe. Schröder als Vizekanzler unter Stoiber gilt als undenkbar. Wenn Schröder dann auch noch den SPD-Vorsitz abgeben sollte, stürzte die Partei in eine tiefe Krise.)

Viel lieber wäre dem Kanzler wohl eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP – so unsicher sie auch zu werden verspricht. Westerwelle, Möllemann & Co. gelten – noch vor Stoiber – den meisten Sozialdemokraten zwar als ausgesprochene Hassfiguren und die FDP als Ausbund der Beliebigkeit, aber wenn sie das Land vor einem CSU-Kanzler retten will, wird es sich die SPD vielleicht noch mal anders überlegen. Da wird auch Schröder seine mittlerweile gewachsene Abneigung gegenüber FDP-Chef Westerwelle nicht ausleben können. Immerhin hat der Kanzler die FDP schon einmal zum Regieren eingeladen. Im Dezember vorigen Jahres, als die Grünen wegen des Afghanistankrieges aus der Koalition zu brechen drohten, fragte Schröder bei Westerwelle an, ob dessen Partei in die Regierung eintreten würde, vorausgesetzt, Fischer könne Außenminister bleiben.

Vorstellbar ist eine Ampel ohnehin nur dann, wenn es für eine schwarz-gelbe Mehrheit nicht reicht. Für den Fall wird auch die FDP von ihren Schwüren, eine Ampelkoalition sei mit ihr nie und nimmer zu machen, wieder lassen. Das größere Problem stellen ohnehin die Grünen dar. Die FDP ist ihr Hauptkonkurrent – und ihr Lieblingsfeind. In ihren Augen sind die Liberalen unsozial und beliebig, Westerwelle ein Politkasper der Spaßgeneration. Außerdem haben sie dem FDP-Chef bis heute nicht verziehen, dass er in der Debatte über Joschka Fischers 68er-Vergangenheit einer der größten Scharfmacher war. Die Grünen-Spitze dementiert heftig, Fischer und Parteichef Kuhn hätten Schröder bereits signalisiert, für eine Ampel zur Verfügung zu stehen. Aber auch für die Grünen gilt: Wenn am 23. September Schröder nach der Ampel fragt, werden sie nicht einfach Nein sagen. Sie werden mit sich ringen.

Schröder würde viel tun, um Kanzler zu bleiben. Eine Koalition aus SPD, Grünen und PDS gehört nicht dazu. Mal abgesehen davon, dass die PDS nach Gysis Abgang erstmal in den Bundestag kommen muss. Schröder mag nur wenige politische Überzeugungen haben, aber dies ist eine: Eine rot-rot-grüne Regierung in diesem Jahr wäre ein politisches Abenteuer – mit, aber erst recht ohne Gysi. JENS KÖNIG