Absperrband unerwünscht

Die Bremer Künstlerin Rosa Jaisli stellt in der Bürgerschaft anspielungsreiche und hintergründige Kitsch-Teppiche aus, die hier ihre ideale Umgebung gefunden haben.

Sie habe die Bürgerschaftsverwaltung wohl überrascht, vermutet die Künstlerin

Von den Wänden der Bürgerschaft röhrt ein mächtiger Hirsch im dunklen Germanenwald. „Wie wird man ein Deutscher?“, prangt in großen Lettern die Frage aller Fragen zu seinen Füßen. Tja, wenn die Herren der Politik das bloß etwas genauer wüssten… Dann wäre ihnen unter Umständen der leicht spöttische Beigeschmack erspart geblieben, der sich an diesem Ausstellungsort in die orientalischen Wandteppiche der Künstlerin Rosa Jaisli schleicht. Denn - das gleich vorweg - sie passen ausgezeichnet hierher, die acht großen, industriell gefertigten Kitsch-Teppiche, auf die Jaisli in dicken Filzbuchstaben simple Sätze, manchmal nur Wörter, näht: mal mit einem Augenzwinkern, mal voll trauriger Ironie, mal bitterernst, fast immer aber mit einem politischen Hintergedanken.

Eine politische Künstlerin also? „Auf jeden Fall!“, kommt wie aus der Pistole geschossen die Antwort der gebürtigen Chilenin, „Ich habe mich schon früh politisch sehr engagiert.“ Als sie 1975 nach Bremen kam, lag es für sie deshalb nahe, an der Uni ein Wirtschaftsstudium zu beginnen, „aber ich habe schon damals ganz heimlich angefangen bildzuhauen.“ Nach dem Diplom gründete sie dann - gar nicht mehr heimlich - eine Künstlergalerie und hat seitdem keinen Gedanken mehr an die Wirtschaft verschwendet: „Man geht schon komische Wege im Leben.“

Heute, zwanzig Jahre später, lebt sie als freie Künstlerin nach wie vor in Bremen, gibt Bildhauerkurse und hat in fast jeder Bremer Galerie schon ausgestellt - „künstlerisch habe ich die Stadt langsam ausgeschöpft“, gibt sie zu, „aber ich bin einfach eine richtige Bremerin geworden und komme nicht weg von hier.“ Der Hirsch lässt grüßen.

Über die neue Ausstellungsmöglichkeit in der „Galerie Bürgerschaft“ und die hier möglichen spannenden Wechselwirkungen freut sich Rosa Jaisli: „Anders als ein Museum ist das hier ein ,Mach-Ort‘, hier wird diskutiert, hier wird Politik gemacht. Es ist super, dass sich das Haus auch für die Kunst öffnet“, begeistert sie sich und kann sich das verschmitzte Grinsen doch nicht verkneifen: „Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob sie diese Arbeiten von mir kannten, als sie mir angeboten haben, hier auszustellen…“

Schließlich ist Jaisli in Bremen hauptsächlich als Bildhauerin und weniger als Konzept-Künstlerin bekannt - und ihre luftig-hellen Alabasterskulpturen wirken im direkten Vergleich mit den Teppichen doch eher harmlos.

Von dem heimlichen Highlight der Ausstellung ist man in der Bürgerschaft folglich auch weniger begeistert: An einem der Fenster, sorgfältig nach Mekka ausgerichtet, liegen farbenprächtige Gebetsteppiche auf dem piccobello gereinigten Bürgerschaftsboden, unmissverständlich umgrenzt von rot-weißem Absperrband. Durch das Fenster hat man freie Sicht auf den protestantischen Bremer Dom. „Hören Sie, Frau Jaisli, wir machen hier noch ein anderes Band dran“, verkündet ein wichtig aussehender Bürgerschafts-Herr im Vorbeigehen und zupft am Absperrband. „Dieses rote Zeug, das möchten wir hier nicht so gerne.“ Doch da hat er die Rechnung ohne die Künstlerin gemacht. „Kommt überhaupt nicht in Frage, das ist ein Teil des Konzeptes der Arbeit“, empört sie sich so lange, bis er kleinlaut um die Ecke verschwindet und „noch mal darüber reden“ will.

Bodil Elstner

Die offizielle Eröffnung der Ausstellung findet heute Abend um 19 Uhr statt, dann sind Teppiche und Skulpturen noch bis zum 14. August im zweiten Stock der Bürgerschaft zu sehen - ob mit oder ohne Absperrband, wer weiß.