„Passage Kattenturm“ ade

In Obervieland haben „Tante Emma“-Läden oder kleinere Geschäfte nie eine Chance gehabt. Nun sortieren sich die großen Einkaufsmärkte neu und graben Kundenströme ab

Der Einzelhandel durchlebt eine Krise, und das auch in neuen Stadtteilen wie Obervieland, in denen sich nie eine nennenswerte Struktur kleinerer Geschäfte entwickeln konnte. Wer in Obervieland nur Milch und Eier kaufen will, geht gleich zu „Real“ oder in andere großflächige Einkaufsmärkte. Zwar hat es im Zentrum von Kattenturm den Versuch gegeben, die „Passage“ mit vielen kleineren Geschäften zu entwickeln – aber ein erheblicher Teil der Ladenflächen steht heute leer oder wird zu Schleuderpreisen zwischenvermietet.

Um die Struktur des Einzelhandels in Obervieland ging es vergangene Woche auch auf einer Einwohnerversammlung: In der Nähe der „Passage Kattenturm“ sollen jetzt einige Wiesen mit Dienstleistungs- und Einkaufsmöglichkeiten bebaut werden. Noch ein Einkaufszentrum, wo das alte schon dahinsiecht? Bei genauerem Hinsehen geht es um großflächigen Verdrängungswettbewerb und um die besseren Standorte.

Mehrere Studien hat es zu der Kattenturmer Einkaufspassage gegeben. Und eigentlich sind sich alle einig, dass das nicht den Bach runtergehen darf. Aber, erklärt die Vertreterin des Stadtplanungsamtes, trotz intensiver Gespräche sind alle Modelle, dieses Zentrum attraktiver zu machen, von möglichen Investoren nicht angenommen worden. Schwierig sei die Lage der Geschäfte für die Anlieferung der Waren, schwierig sei der Mangel an nahen Parkplätzen. Man habe sich mit „sehr viel Herzblut“ um dieses Zentrum gekümmert, aber es sei eine „introvertierte Zelle – und die funktioniert nicht“.

Die neue Devise, so die Planerin, sei „Einkaufen an der Alfred-Faust-Straße“. Dreihundert Meter entfernt von der „Passage Kattenturm“ soll ein Discounter mit Parkplatz vor der Ladentür angesiedelt werden. Der Ortsamtsleiter Ingo Funck (SPD) beschreibt die Lage etwas resigniert mit den eher beschönigenden Worten: „Synergieeffekte werden da nicht eintreten“. Während das Planungsamt kaum noch Chancen sieht, die Kattenturmer „Passage“ vor größerer Konkurrenz zu schützen, die die Kaufkraft abzieht.

Und an Konkurrenz gibt es eine ganze Menge: Das Einkaufszentrum um das „Werder Karree“ im Osten von Obervieland ist inzwischen auf mehr als 80.000 Quadratmeter Verkaufsfläche angewachsen – das ist so viel wie der Weserpark am Anfang hatte. Nur dass niemand geplant hat, dass hier mal eine derart große Ballung von Einkaufsfläche entstehen soll. Sogar das Hastedter „Hansa Karree“ bekommt die Größe zu spüren. Und auf der westlichen Seite von Kattenturm haben sich auf Brinkumer Boden Novo und Ikea etabliert. Kafu am Arster Damm lag sozusagen in der Mitte zwischen den Zentren – und hat aufgegeben. Auch das in die Jahre gekommene große „famila“-Geschäft an der Kattenturmer Heerstraße sucht einen neuen Standort.

Die Lage ist das Kriterium für den Erfolg im Ringen um die Gunst der Käufer, die unproblematische Zufahrtsmöglichkeit ein wichtiger Kostenfaktor. So zieht auch der Lidl-Markt demnächst näher an den Ortskern von Arsten heran und direkt an den Arster Damm – da müssen die großen Liefer-LKWs nicht mehr 300 Meter in die Wohnstraßen hineinfahren. Deswegen sucht auch Aldi im Quartier nach einem neuen Standort, zum Beispiel das frühere Kafu-Gelände, auf das auch „famila“ will.

Aber bisher erlaubt der gültige Bebauungsplan das nicht. Wenn sich da der Wirtschaftssenator gegen die Stadtplaner durchsetzt und trotz Bebauungsplan eine ungeplante Entwicklung von Kaufkraft-Magneten stattfindet, dann könnte es auch das neue Zentrum in Kattenturm an der Alfred-Faust-Straße schwer haben.

K.W.