„Wir sind auf Urängste zurückgeworfen“

Bei Unternehmen ist der designierte Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) eine unbekannte Größe. Opposition und Gewerkschaften loben ihn als Finanzexperten, halten ihn aber als Gysi-Nachfolger eher für eine Fehlbesetzung

Als designierter Wirtschaftssenator stößt er außerhalb der rot-roten Regierungswelt durchweg auf negative Resonanz. Harald Wolf? Für die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburgs ist er eine unbekannte Größe. Opposition und Gewerkschaften bemängeln vor allem fehlende Verkäuferqualitäten. Auch von der SPD-Linken kommt Kritik. Eine Findungskommission der PDS hatte den bisherigen PDS-Fraktionschef am Sonntag als Nachfolger für den zurückgetretenen Gregor Gysi vorgeschlagen. Die nötige Zustimmung im PDS-Landesvorstand, der nach Redaktionsschluss tagte, galt als sicher.

„Wir sind auf die Urängste einer Regierungsbeteiligung der PDS zurückgeworfen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände, Hartmann Kleiner, der taz. Gregor Gysi habe es vermocht, derartige Befürchtungen zumindest zu überspielen. Bei Wolf sei abzuwarten, wieweit er sich vom Programm der Sozialisten entfernen könne. In Unternehmenskreisen ist Wolf laut Kleiner kaum bekannt. Wichtig für jeden Wirtschaftssenator sei die Fähigkeit, Menschen begeistern zu können. „Wirtschaft ist nach wie vor zu mindestens 50 Prozent Psychologie.“

Gerade diese Fähigkeit sprechen Opposition und Gewerkschaften Harald Wolf ab. „Wolf ist für die PDS als Finanzfachmann unersetzlich, aber er ist kein Verkäufer“, sagte Hartmut Friedrich, Vize-Landeschef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. „Der ist damit nicht glücklich, und Berlin wird auch nicht glücklich damit werden.“ Wie Kleiner hätte er es vorgezogen, wenn die PDS einen parteilosen Fachmann vorgeschlagen hätte.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund drückte es Pressesprecher Dieter Pienkny vorsichtiger aus: „Gysi hat die Messlatte mit seinen kommunikativen Fähigkeiten sehr hoch gelegt. Wolf wird unter Beweis stellen müssen, dass er die auch hat.“

Auch Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz lobte Wolfs Qualitäten als Finanzexperte, sieht ihn aber im neuen Job an der falschen Stelle. Für die Opposition sei es von Vorteil, dass „Zuchtmeister Wolf“ nicht mehr die Fraktion führen werde. „Die Koalition wird es in Zukunft schwer haben, ihre Mehrheiten zusammenzubekommen“, sagt Klotz.

CDU-Fraktionschef Frank Steffel sprach von einer „Notlösung, die viereinhalb Jahre lang dauern wird“. Wolf – „in der Finanzpolitik ein Fachmann, keine Frage“ – werde keinen Zugang zu Unternehmen finden. „Er spricht nicht deren Sprache“, sagte er unisono mit seinem Chefkollegen Martin Lindner von der FDP. Der bezeichnete Wolf als intelligenten Kenner des Berliner Haushalts, dem die Begabung zur Akquise fehle. Gysi sei der Verkäufertyp schlechthin gewesen, „Wolf ist ein Technokrat, der nicht die Sprache der Wirtschaft spricht“, sagt Lindner. Ähnlich wie Grünen-Fraktionschefin Klotz hielt Lindner der PDS ihr Wahlversprechen vor, Ostdeutsche nach vorne zu bringen. „Stattdessen haben sie jetzt zwei von drei Senatorenposten mit westdeutschen Altlinken besetzt.“

Auch die SPD-Linke äußerte sich kritisch. Ihre Sprecherin Gerlinde Schermer sagt dem „FAZ-Radio“, Wolf habe die umstrittene Risikoabsicherung für die Bankgesellschaft mitgetragen und dabei keine Kompetenz bewiesen.

Allein aus der Spitze der Sozialdemokraten und aus dem Roten Rathaus gab es positive Resonanz. „Wolf ist ein qualifizierter Kandidat. Wenn die PDS ihn als Nachfolger vorschlägt, können wir ihn mittragen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler. Senatssprecher Michael Donnermeyer sprach von einer guten Wahl. STEFAN ALBERTI