Grüne halten Rezzo die Treue

Die Landesverbände bleiben cool: Fraktionschef Schlauch ist zwar auf Bonusmeilen nach Bangkok geflogen, soll aber im Amt bleiben. Wichtiger sei die Kriegsgefahr im Irak

BERLIN taz ■ Eine Palastrevolte in Sachen „Miles & More“ gibt es bei den Grünen nicht. In den Landesverbänden der Partei wird zwar Kritik geäußert am Bangkok-Freiflug des grünen Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rezzo Schlauch, aber seinen Rücktritt fordert niemand.

Die deutlichsten Worte hört man bei den traditionell als links bekannten Berliner Grünen, der ehemaligen Alternativen Liste. Landesvorsitzender Till Heyer-Stuffer sagte der taz gestern: „Teile des Landesverbandes haben sich wahnsinnig geärgert über die Geschichte von Rezzo Schlauch.“ Eine Rücktrittsforderung gegenüber Schlauch hält Heyer-Stuffer allerdings für übertrieben. „Nach der Bundestagswahl“ werde es freilich eine „ausführliche Diskussion“ in der Partei über die Meilen-Affäre geben, so Heyer-Stuffer.

Roland Vogt, Vorstandssprecher der Brandenburger Grünen, kritisiert „zwei Fehler“, die Schlauch gemacht habe. Zum einen habe er den kostenlosen Freiflug unberechtigt in Anspruch genommen. Zusätzlich sei Schlauch ein „schwerer politischer Managementfehler“ unterlaufen, so Vogt. Der Fraktionsvorsitzende habe nicht rechtzeitig öffentlich eingeräumt, dass auch er sich für den Bangkok-Flug bei den Bonus-Meilen der Lufthansa bedient habe. Dieser „ärgerlichen Regelverletzung“ habe die Lufthansa allerdings Vorschub geleistet, so Vogt, indem sie für die Bonus-Meilen ein Abrechnungsystem etablierte, das mit der „Versuchung“ spielte, unrechtmäßige Vorteile anzubieten. Die „gewünschte Intransparenz“ hätte das Unternehmen schon früher abstellen müssen. Forderungen an Schlauch will Vogt mit seiner Kritik „nicht verbinden“. In anderen Landesverbänden, Bayern und Hessen zum Beispiel, schlägt die Affäre noch viel weniger Wellen.

Außenminister Joschka Fischer, zugleich grüner Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf, wollte sich nach der gestrigen Sitzung des Parteirates nur extrem kurz zu Verfehlungen grüner Politiker äußern. „Schaden beglichen, Sache erledigt“, lautete Fischers Kommentar zur Schlauch-Geschichte. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), der wegen eines mit Bonus-Meilen gekauften Aktenkoffers ins Gerede gekommen war, nahm Fischer in Schutz, indem er den Erwerb zweier Sporttaschen bei der Lufthansa „für seine Wahlkampftour“ einräumte. Der Spitzengrüne beklagte die „politisch motivierte, gnadenlose Einseitigkeit des Verlagshauses Springer“, das grüne Politiker an den Pranger stelle, CDU-Personal aber nicht mit annähernd gleicher Verve beobachte. (Siehe auch Brennpunkt Seite 3)

Ansonsten galt für Fischer: Es gibt Wichtigeres. Detailliert führte er aus, welche Argumente gegen einen US-Angriff auf den Irak sprechen: Es gebe keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Organisation al-Qaida von Ussama Bin Laden und der irakischen Regierung. Außerdem, so Fischer, hege er erhebliche Zweifel, ob die USA die langfristige Neuordnung des Nahen Ostens bewerkstelligen können und wollen, die nach einem Sturz der irakischen Regierung notwendig sei. HANNES KOCH