Alternativer Tisch

Grüner Wahlkampfauftakt in Hamburg mit Rezzo Schlauch. Der mag das Wort Bonusmeilen nicht mehr hören und glaubt an Unterschiede zwischen den Parteien

Er kann es einfach nicht mehr hören, er will es auch nicht, und am liebsten will er auch gar nichts mehr dazu sagen. Denn er habe ja schon „alles gesagt zum Thema Bonusmeilen“, behauptet Rezzo Schlauch, und er habe auch zugegeben, „einen Fehler gemacht zu haben“. Den aber habe er „so schnell und so weit wie möglich wieder gutgemacht“, die 7000 Euro für seinen österlichen Thailand-Trip an den Bundestag erstattet, und somit „alles getan, was ich tun konnte“.

Und nun wolle er nicht länger „über diese Affäre“, dieses „durchsichtige Manöver einer großen Zeitung und eines ganzen Verlagshauses“ reden, weshalb er Bild und Springer auch nicht namentlich nennt, sondern jetzt „mit offenem Visier und inhaltlich Wahlkampf machen“ wolle.

Denn genau dafür ist der Fraktionschef der Bundestags-Grünen am Montagabend nach Altona gekommen, ins Theater Allee zur „Politischen Weinprobe“, und Saal und Foyer sind gestopft voll. Wein und Schnittchen reichen nicht für 200 Leute, und Christa Goetsch weiß nicht recht, ob sie sich über den unverhofften Andrang freuen soll.

Sie habe „mit 50, 60 Menschen gerechnet“, gibt Altonas grüne Bundestagskandidatin zu, und mag nicht spekulieren über die Gründe für den Ansturm. Gratis-Wein, der affärengebeutelte Bundes-Promi, das schlechte Wetter oder alles zusammen? Goetsch beschließt, es positiv zu sehen, „dass so viele sich für grüne Politik interessieren“.

Was diese durchaus tun, Widerspruch oder übermäßig kritische Fragen müssen sich Goetsch und Schlauch vom Publikum nicht gefallen lassen. Die Altonaer Kandidatin, als Bildungsexpertin und Fraktionsvize der GAL in der Bürgerschaft profiliert, zieht routiniert lokalpolitisch vom Leder. Was ihr von Schwarz-Schill leicht gemacht wird: Poller-Hysterie, Sozialabbau, Bildungs-GAU, Internierungslager für Zuwanderer – der Stichworte gibt es reichlich, um „die grüne Alternative“ mühelos auszuschmücken.

Schlauch setzt dies mit ebensolcher Leichtigkeit fort. Behauptungen wie, die Grünen hätten mit „der deutschen Lebenslüge aufgeräumt, dass dieses Land kein Einwanderungsland ist“, oder dass FDP-Vize Jürgen Möllemann „mit seinen unsäglichen antisemitischen Äußerungen Rechtspopulismus salonfähig machen will“, ist allgemeiner Beifall sicher. Renate Künast sei der „Garant“ für die Öko-Wende und Joschka Fischer desgleichen für ein demokratisches Europa.

Die Stoiber-Union aber wolle alles nur „zurückdrehen“, warnt Schlauch. Vor allem in der Sozial- und Gesellschaftspolitik „liegen bei dieser Wahl die Alternativen knallhart auf dem Tisch“, schreibt er denen ins Stammbuch, die argwöhnen, es gebe eh keine Unterschiede mehr zwischen den Parteien.

Naja. SVEN-MICHAEL VEIT