auf augenhöhe
: GEREON ASMUTH über Profi-Touren

Abgeschnitten in der Pampa

Der Profi-Berliner verbringt bekanntlich, anders als gewöhnliche Sonnenamateure, den Sommer in der Stadt. Denn nirgendwo ist es schöner als in der hitzegeplagten Hauptstadt, außer vielleicht in deren Umland. Deshalb pflegt der Profi-Berliner auch Feundschaften zu denjenigen Mitstädtern, die sich tatsächlich ein schönes Häuschen im Grünen leisten, etwa durch einen netten Besuch übers Wochenende.

Leider kennt der Profi-Berliner zwar jede Ecke seines Kiezes, in der Pampa aber ist er völlig aufgeschmissen. Geht ihm beispielsweise in der geliebten Heimatstadt morgens um vier das Geld aus, hüpft er zum nächsten Bankomaten und schon ist der Absacker gesichert. Auch im schönen Chorin mit dem im Mittelalter erbauten Kloster lockt ein freundliches Sparkassen-S den abgebrannten Entdecker. Doch die Filiale scheint sich seit dem Mittelalter kaum weiterentwickelt zu haben. Ein Automat ist nicht in Sicht. Und der Schalter ist laut Aushang nur mittwochs geöffnet, dann immerhin von 8 bis 13 Uhr. Selbst der hinter der gleichen Tür ansässige Friseur ist geschäftstüchtiger und schnippelt zusätzlich am Donnerstag.

In Brodowin darf der Profi-Berliner dann zwar die schwarzweißen Kühe bewundern, die täglich seine Milch in den Berliner Bioladen liefern. Geld fließt aber auch hier nur einmal pro Woche: am Dienstag. Im Supermärktchen weiß selbst die Kassiererin nicht, wie die Eingeborenen hier an ihr Geld kommen. Schließlich, so ihr Argument, sei sie auch nicht von hier. Eine Kundin hat immerhin irgendwo gehört, dass es in Oderberg „so einen Automaten“ gebe. Offenbar lebt die Landbevölkerung vom Tauschhandel. Denn in den meisten Dörfern gibt es nicht mal einen Kleinstladen.

In Stolzenhagen an der Oder gibt es einen Zigarettenautomaten. Und zum Glück auch das Gutshaus der Wochenendfreunde, die als Umlandprofis dem Zugereisten nicht nur das nötige Kleingeld leihen können, sondern gleich noch den ganz heißen, weil sparsamen Tipp parat haben, das Handy abzustellen. Auf dessen Display erscheint prompt per SMS die freundliche Begrüßung eines polnischen Netzbetreibers, der nette Tage im Nachbarland wünscht. Um Kosten für Auslandsgespräche zu vermeiden, empfehlen die Wochenend-Brandenburger, müsse man schon hinter das alte Maschinenhaus gehen. Dort gebe es wenigstens ab und zu einen Empfang.

Inländische Kommunikation ist ansonsten nur mit den echten Einheimischen möglich. Denn die wurden zur Nachbarschaftspflege auch gleich zum Sommerfest auf dem Gut eingeladen. So verbringen auch vier glatzköpfige Typen die Nacht an der Bar, lauschen etwas irritiert der Band „Post Holocaust Pop“, obwohl sie viel lieber die neueste „Clubrotation“ hören würden, pöbeln ein wenig mit den genervten Gastgebern herum und glänzen mit Polnischkenntnissen. Die Profi-Berliner hocken derweil am Lagerfeuer und sinnen über Deeskalationsstrategien nach. „Ich hau die weg, die Nazis“, meint einer. Doch kaum ist das Bier alle, steigen die Glatzen ins Auto und brausen davon. Schließlich müssten sie „noch ficken“, wie sie zuvor lauthals über den Hof brüllen. Der Profi-Berliner überlegt derweil, wer auch ihm noch die Rückfahrt mit dem Zug finanzieren könnte.