Schnelligkeitsprämie fürs Verschwinden

Berliner Senat beschließt neues Rückkehrprogramm für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Bis Ende Oktober gibt es 1.000 Euro Starthilfe zur Heimverschickung. Flüchtlingsrat bezeichnet die Hilfe als völlig absurd

Es ist ein bisschen wie beim Preisrätsel: Die ersten 100 Einsender erhalten … In Berlin heißt es ab sofort für Flüchtlinge aus Bosnien, Herzegowina, Montenegro und dem Kosovo: Wer bis Ende September einen Rückkehrantrag stellt, bekommt 1.000 Euro Starthilfe pro Person. Maximal 3.000 Euro für Familien sollen es sein.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, und so gibt es für Antragsteller ab dem 1. Oktober nur noch 750 Euro. Ab November gehen die Flüchtlinge leer aus. Ein „zusätzlicher Anreiz zu einer raschen Rückkehrentscheidung“ soll durch das Programm erzielt werden, heißt es vom Senat.

Die „individuelle Starthilfe“ wird in zwei Raten ausgezahlt. Die erste Hälfte bekommt der Rückkehrer, wenn sein Antrag genehmigt wurde, hier ausgezahlt. Die zweite gibt es nach der Rückkehr. Das soll eine Partnerorganisation vor Ort übernehmen, die aber noch gesucht wird.

Vor Ort wird auch der zweite Teil des Programms organisiert und überwacht, die Hilfe zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Dies kann ein Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber, die Rückkehrer einstellen, sein, eine Starthilfe für Existenzgründer oder eine Zuzahlung zur Weiterbildung. Dafür sind noch einmal bis maximal 3.000 Euro pro Person vorgesehen.

Es ist bereits das fünfte Rückkehrprogramm, das der Senat seit 1998 auflegt. Bisher sei es gelungen, 6.400 Flüchtlinge bei der freiwilligen Rückkehr zu unterstützen. „Wir setzen damit unsere Anstrengungen fort, allen Rückkehrerinnen und Rückkehrern eine realistische und humane Zukunftsperspektive zu bieten“, betont Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS).

Doch was das Programm in erster Linie bietet, sind Fragezeichen. Noch nie war eine Laufzeit so kurz wie diese, nicht einmal zwei Monate bleiben Antragstellern, um den Maximalbetrag zu „ergattern“. Die Ausländerbeauftragte Barbara John hätte das Programm, dessen Entwurf aus ihrem Hause kommt, gerne schon Anfang Juni beschlossen gesehen. Dass die Maxime „je schneller, desto mehr Geld“ an der Lebensrealität von Flüchtlingen vorbeigeht, geben sogar Johns Mitarbeiter zu.

Wie sehr sich mit dem Programm die Katze in den Schwanz beißt, macht Georg Classen vom Flüchtlingsrat klar. „Völlig absurd“ sei dieses Programm und die Ausländerpolitik von Rot-Rot genauso restriktiv wie früher die der CDU. Das Programm nämlich richtet sich explizit an die Sozialhilfeempfänger unter den rund 13.000 Flüchtlingen. 10 Prozent von ihnen sind im Amtsdeutsch „demnächst ausreisepflichtig“, sprich, sie werden abgeschoben. Ob ihnen der Segen des Programms überhaupt zuteil wird, wusste man gestern nicht einmal im Hause der Ausländerbeauftragten. Die anderen 90 Prozent bekommen Sozialhilfe. Sie haben hier eine Duldung. Mit der bekommen sie jedoch erst nach Deutschen und EU-Bürgern einen Job. „Denen wird das Arbeiten regelrecht verboten“, so Classen. Auch über die angebliche Freiwilligkeit des Rückkehrangebots kann er nur lachen. „Die Praxis sieht anders aus, da sitzen Flüchtlinge auf dem Sozialamt, die vor der Sozialhilfebewilligung erst ihr Rückkehreinverständnis unterschreiben müssen.“ Vor allem in Mitte und Reinickendorf, weiß Classen, werde besonders restriktiv mit Flüchtlingen umgegangen.

Erst vor kurzem hatte der Senat versprochen, zumindest den traumatisierten Flüchtlingen schneller zu einem Bleiberecht zu verhelfen. Für Classen eine Farce: „Nur in wenigen Einzelfällen werden die Atteste anerkannt.“ Der Flüchtlingsrat kritisiert, dass niemand im Senat an die hier geborenen Kinder der Flüchtlinge denke. „Die sind viel mehr hier zu Hause als in Exjugoslawien.“ ANETT KELLER