schnittplatz
: Im Tollhaus

„Jede Aufklärung über die Bild-Zeitung ist vergebens, weil es nichts über sie zu sagen gibt, was nicht schon alle wussten.“

H. M. Enzensberger (1988)

„Die Zweifel des deutschen Presserats an der Wahrhaftigkeit der von uns erhobenen Vorwürfe sind absurd und stellen die Sinnhaftigkeit dieser Institution in Frage.“ Kai Diekmann (2002)Genau: Auch wir fordern den Presserat auf, sich doch bitte um sinnvolle Dinge zu kümmern. Sicher, die Einhaltung ethischer Grundsätze zu überwachen ist wichtig. Deshalb steht ja auch im Pressekodex, „die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit ist oberstes Gebot der Presse“. Und eine Veröffentlichung ist natürlich auch dann nicht wahrheitsgemäß, wenn sie nur einen Teil der Wahrheit offenbart und den Rest willkürlich, oder gar aus politischen Motiven, verschweigt. Aber bitte, lieber Presserat: Sebnitz hin oder her, manipulierte Trittin-Fotos schön und gut. Man weiß doch, wie Bild arbeitet. Jetzt aber den wahnwitzigen Verdacht zu äußern, Bild fahre möglicherweise eine politisch motivierte „Miles & More“-Kampagne und halte deswegen eventuell Informationen über Politiker von FDP und CDU/CSU zurück, das geht doch wohl zu weit. Das muss man doch prüfen, bevor man derartige Behauptungen in den Raum stellt!

Um mit Kai Diekmann zu sprechen: „Es ist schon nah am Tollhaus. Die Gralshüter der sauberen Recherche erheben ohne Prüfung, ohne Rückfrage und trotz der Schuldeingeständnisse der Politiker schwerste Vorwürfe gegen die Bild-Zeitung, die jeden einzelnen Fall gewissenhaft recherchiert hat. Es ist genau die Art der Vorverurteilung, gegen die der Presserat sonst immer und zu Recht vorgeht.“

Hoppla! Bei genauer Durchsicht der Äußerungen von Manfred Protze, dem Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses im Presserat, ist uns allerdings aufgefallen, dass der Presserat noch gar keinen Vorwurf gegen Bild erhoben, sondern nur die „genaue Prüfung“ der Vorwürfe angekündigt hat, sie veröffentliche ihre Informationen nur häppchenweise. Wir wollen die Pressewächter also doch behalten, damit nicht beispielsweise SPD-Generalsekretär Franz Müntefering Strafanzeige stellen muss, wenn ihm die Berichterstattung von Bild nicht passt. Das wäre ja absurd. HEIKO DILK