Stadt-Schulen vor der Pleite

Bayerns Kommunal-Schulen in der Klemme: Die Städte können, das Land will sie nicht bezahlen

von CHRISTIAN FÜLLER

Wolfgang Köhler nennt es „eine charmante Idee“. Der Kämmerer der Stadt Nürnberg muss sparen. Also hat er sich ein Sparmodell ausgesucht, das niemandem wehtut: Er will alle städtischen Schulen dem Freistaat Bayern übergeben. „Das Schöne an dieser Lösung ist“, sagt der CSU-Mann Köhler, „es ändert sich nur der Dienstherr für die Lehrer.“

Was der Kämmerer der Frankenmetropole diskutiert, ist auch anderswo in Bayern Thema. Wie sollen die Kommunen, die wegen des dramatischen Rückgangs ihrer Steuereinnahmen in die Klemme geraten sind, ihre Bildungseinrichtungen bezahlen? In Augsburg, Würzburg und auch in München fahnden die Finanzreferenten in den Haushaltsbüchern nach Einsparmöglichkeiten. Dabei geht es ihnen ähnlich wie Köhler, sie stoßen auf einen besonders „großen Ausgabenbrocken“ – die Schulen.

Bayern bezahlt Lehrer der Kommunen nicht

Bayerns Bildungssystem hat nämlich eine Besonderheit: Dort gibt es kommunale Schulen, selbst die Lehrer in diesen Einrichtungen sind städtische Beamte. Der Staat bezahlt dafür nur eine Pauschale. Das gibt es sonst nirgendwo in Deutschland: Zwischen Kiel und Fulda stehen die Pauker stets auf der Gehaltsliste des Landes – zu 100 Prozent.

Für Christian Ude (SPD) ist die bayerische Sparvariante ein „geradezu skandalöses Brauchtum“. Der Oberbürgermeister von München muss jedes Jahr 450 Millionen Euro nur für das Lehrpersonal seiner städtischen Schulen aufwenden. Das Land dafür 150 Millionen Euro Zuschuss – ein Drittel der Münchener Lehrerkosten. „In anderen Bundesländern“, sagt Ude, „wäre das unvorstellbar.“ Wie seine Kollegen fordert daher auch der Münchener Rathauschef, dass die bayerische Schulministerin Monika Hohlmeier (CSU) die Geldbörse zückt. Bildung sei eine staatliche Aufgabe: Das Land muss zahlen.

Im Kultusministerium sieht man das freilich ganz anders. „Da wird es keine Einigung geben“, gibt Hohlmeiers Sprecherin zu Protokoll. Nicht einmal eine Nothilfe zur Überbrückung der prekären kommunalen Finanzsituation kann sich Schulministerin Hohlmeier vorstellen. Die Kommunen hätten sich nach dem Krieg entschieden, ihre Schulen selbst zu prägen. Nun müssten sie dafür auch die Zeche zahlen.

Das ist eine eigenwillige Lesart der bayerischen Schulgeschichte. Die Städte sind immer dann eingesprungen, wenn der Staat keine Notwendigkeit für Bildungsreformen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert etwa drängte das städtische Bürgertum danach, höhere Schulen für Mädchen einzurichten. Bis dahin waren Gymnasien, so schreiben es Historiker, „selbstverständlich allein den Kindern und Jugendlichen männlichen Geschlechts vorbehalten“. Der König mochte das nicht ändern – also gründete München die Mädchen-Gymnasien selbst. Noch heute bestreitet die Stadt 14 eigene Gymnasien samt der Lehrerkosten.

Bei den Realschulen war es nicht viel anders. Während Städte die Notwendigkeit für eine kaufmännisch-technische Allgemeinbildung zwischen Gymnasium und Volksschule sahen, winkte der Freistaat ab. Wieder eröffneten die Städte eigene Realschulen – und hatten die Kosten in ihren Haushaltsbüchern stehen. Der Staat beteiligte sich nur zögerlich an der Finanzierung, heute überweist das Land 61 Prozent der Lehrerkosten.

An dem Prozentsatz wird die Absurdität der Regelung deutlich. Wird eine Realschule in Bayern als Privatschule betrieben, übernimmt der Staat 90 Prozent der Lehrerkosten. Ist die gleiche Schule in kommunaler Hand, sinkt der Zuschuss de jure auf 61 Prozent, de facto aber auf 50 Prozent – denn die Zuschüsse des Staates sind pauschal berechnet.

Nürnbergs Kämmerer Köhler will das nun ändern – mit Druck. Er werde, so sein Vorschlag, ab sofort einfach keine Lehrer mehr für städtische Schulen einstellen. Und dann „schaun wir mal, was die Regierung macht“.